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 Unterscheidet man wie billig zwischen der Sache und ihrer theologischen Darstellung, zieht man ferner in Betracht, mit welchen Schwierigkeiten der erste theologische Versuch auf diesem Gebiete zu ringen hatte, sieht man endlich auf die Sorgfalt, mit der Justin zur Rechten und zur Linken abwehrt, Modalismus und Ebionitismus zurückweist, so kann man dem ersten Apologeten und Theologen nicht ohne Bewunderung auf seinem christologischen Wege folgen und gewinnt jedenfalls die Ueberzeugung, daß ihm und der Kirche der damaligen Zeit die Gottheit Christi der Mittelpunkt ihres Glaubens, Lebens und Denkens war.

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 Mit Beziehung auf Aeußerungen wie S. 393. 473, wonach Justin die Mitschuld der Verwechslung zwischen dem Vater der Welt und dem Vater unseres Herrn Jesu Christi trägt und durch die Wendung: Vater des Alls der Gedanke an Gottes väterliche Gesinnung und Liebe abgeschnitten ist, die christliche Kirche auch in der Fassung des ersten Artikels im apost. Symbolum die Erinnerung an ihren heidenchristlichen Ursprung bewahre, müssen wir noch bemerken, daß uns dies sehr unverständlich ist. Der Vater des Alls ist ja zugleich der Vater des Sohnes, der Mensch geworden Jesus Christus heißt. Die Gottessohnschaft gründet sich immer und überall nach Justin auf die Geburt Jesu Christi aus Gott und zwar im Sinne der himmlischen und irdischen Geburt aus Gott, sagt v. E. S. 98 selbst. J. denkt durchaus nicht bei dem Vaternamen ausschließlich an das Verhältniß Gottes zur Welt; warum betont er es denn mit solchem Nachdruck, daß Jesus Christus μόνος ἰδίως und κυρίως der Sohn Gottes ist? Er nennt sehr häufig Christum den Sohn des Vaters des All, weil er das Wesen des Sohnes auf geschichtlicher Linie verfolgt, er thut es im antignostischen und antiemanatistischen Interesse. Christus ist des Weltschöpfers, d. h. des wirklichen Gottes (τοῦ ὄντως θεοῦ) Sohn; dieser Ausdruck hat nicht entfernt den Sinn, die Schöpfung auf Kosten der Erlösung hervorzuheben, sondern will gerade die Einheit beider Gotteswerke und ihrer Urheberschaft betonen. Letzteres gehört zu den Vorzügen der altkirchlichen Anschauung. Die Behauptung: so ausschließlich denkt Justin bei dem Vaternamen Gottes an das Verhältniß zur Gesammtheit aller Wesen oder zur Welt, daß er Christus niemals den Sohn Gottes nennt ohne hinzuzufügen: des Vaters der Welt (S. 129), ist völlig unbegründet. Er nennt ihn sehr oft den Sohn des wahrhaftigen

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/46&oldid=- (Version vom 1.10.2017)