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 Das dritte Verdienst Harleß’ war, dass er langjärige dringende Forderungen der Landeskirche zum endlichen Abschluss brachte. Die


    politischer Versammlungen sind, sondern durchweg kirchlichen Charakter tragen. Das Verhältnis zur Statsgewalt möglichst günstig, möglichst unabhängig. Dazu eine Fakultät ersten Ranges, geziert mit einem Kranz der besten Namen deutscher Theologie. Für den Gottesdienst eine Agende, ein Gesang-, ein Choralbuch, dem sich wenige an die Seite stellen lassen. In den Gemeinden vielfach gute, kirchliche Tradition, gesundes, nüchternes Christenthum: kurz, wem das deutsche Luthertum am Herzen liegt, dessen Auge muss mit Freude und Hoffnung gerade auf dieser Kirche ruhen. Löhe war der letzte, der dies verkannte, und er konnte es, wenn es darauf ankam, mit sehr beredten Worten rühmen. Allerdings war das Landeskirchentum, wie es sich zumeist darstellt, nicht sein letztes Verfassungsideal. Doch kann nur äußerste Befangenheit und Unkenntnis seinen Namen in Verbindung bringen mit separatistischer Willkür oder ihn zu einem Oppositionsmann von Fach stempeln. So lange ich die Ehre gehabt habe, mit ihm zu verkehren, habe ich ihn immer nur mit aufrichtiger, ernster Pietät von den landeskirchlichen Behörden reden hören, und einen gewissenhafteren, pünktlicheren Pfarrer bis herab zu den unscheinbarsten Schreibereien konnte es nicht geben. Für kleinliche Nergeleien war seine Anlage viel zu groß, seine Richtung zu historisch, sein kirchliches Urteil zu männlich und maßvoll.
     Was ihm in späteren Jaren als Ziel seiner Sehnsucht vorschwebte war die Bildung von Gemeinden strengerer Observanz im Rahmen der Landeskirche. Ihm selbst hat Gott etwas dieser Art beschert in der ziemlich zalreichen Kolonie seiner Anstalten und ihrem Kirchenwesen. Wenn aber ferner stehende meinen, er habe sich mit seinem Herzen nun von seiner landeskirchlichen Dorfgemeinde ab- und der freieren Anstaltsgemeinde zugewandt, so irren sie sehr. Gerade das ist so groß, so herzbewegend, dass die pastorale Liebe dieses großen Mannes zu seiner kleinen Bauerngemeinde so stark im Vordergrund stand. Er hat die Anstalten gegründet, mit Eifer und Fleiß gepflegt und ausgebaut, um damit in erster Linie seiner eigentlichen Gemeinde zu dienen, um ihr mancherlei Segen und reiche, neue Lebenskräfte zuzufüren. In zweiter Linie hatte er damit den Bedarf der lutherischen Landeskirche im Auge.
     Man kann sich, wenn man auf neutralem Gebiet in vergangene Tage zurückschaut, den Mann nicht wol in einer anderen der gegenwärtigen [120]

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Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/133&oldid=- (Version vom 31.7.2018)