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im folgenden Jahre; die Arbeiten von de Wette und anderen genügen kaum den ersteren, geschweige den letzteren, wärend bei den ethischen Schriften von Schwarz und Sartorius der tief christliche Impuls anzuerkennen ist, aber zu wenig systematische Durchführung sich findet. Die Vorzüge des Harleß’schen Werkes liegen klar zu tage: in einer in Warheit wissenschaftlichen Architektonik, wenn auch zuweilen, namentlich im zweiten Teil, eine zu formal logische Behandlung eintritt; in Geltendmachung und konsequenter Durchfürung des christlich-ethischen Prinzips; in ansprechendster Verwebung des biblischen und, im weiteren Sinne des Wortes, des geschichtlichen Moments. Keine neuere Ethik hat eine so gründliche und schöne Schriftbenutzung wie die Harleß’sche. Dem gesunden Typus christlicher Lebensanschauung werden ferner die Abirrungen zur Rechten und zur Linken in kurzen treffenden Zügen gegenübergestellt. Insbesondere sind die Vergleiche der christlich-ethischen Grundbegriffe mit den analogen der antiken Ethik, namentlich innerhalb der späteren griechischen Philosophie, mit welcher Harleß ungemein vertraut war, lehrreich. Die Prinzipien der lutherischen Kirche sind in dieser Ethik innerlichst verarbeitet und treten in der reinlichen Scheidung und doch wider einheitlichen Erfassung der Gebiete der Schöpfung und Erlösung, insbesondere in der vortrefflichen Behandlung der natürlichen Lebensgemeinschaften hervor. Die wertvollen Anfürungen aus Luthers Schriften, die in den späteren Auflagen immer reicher wurden, sind nicht bloß äußere Zugabe, sondern bilden eine harmonische Ergänzung der eigenen Darstellung. Die Ethik wurde ins Englische übersetzt. Ein Versuch, sie auch ins Französische zu übertragen, scheiterte an ihrer zu abstrakten Sprache. Man kann über eigene Arbeit nicht demütiger und zurückhaltender urteilen, als Harleß im Vorwort gethan hat. Charakteristisch ist auch die Äußerung: „Es drückt mich die Überzeugung, daß die systematische Theologie unter uns Deutschen, auch die der besten Richtung, an einer gewissen Vornehmheit und abstrakten Formulirung des Gedankens leide, welche mit der göttlichen Tiefe und der Fischereinfalt ihres apostolischen Ursprungs in einem nicht unbedenklichen Kontraste steht.“ Was Harleß’ Stil betrifft, so schrieb er immer

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Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/95&oldid=- (Version vom 31.7.2018)