Seite:Adolf von Stählin - Wie Gottes Wort in der gegenwärtigen Kriegszeit uns zur Treue mahnt.pdf/14

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wollte läugnen, daß ihm eine edle Ausrüstung zu Theil geworden ist, und daß es in den Gang der Weltgeschichte seit Jahrhunderten mächtig eingegriffen hat? Aber treu war es nicht in Bewahrung der ihm verliehenen Güter und Kräfte, mag die Schuld nun mehr auf die Einzelnen oder deren Führer und Lenker fallen. Ich will euch an eines erinnern. Auch in diesem Volke war das Licht der Reformation, durch welche Europa’s Völker verjüngt und erneuert wurden, angezündet und brannte helle in unzähligen Gemüthern; die Blüthe des Volkes war von ihr ergriffen. Aber kaum in einem andern Lande wurde sie mit so ausgesuchten Freveln unter fortgesetztem Treubruch wieder erstickt als dort. Mehr und mehr trat in Folge davon an die Stelle ächten Christenthums jene unselige Art von Religion, welche mit todtem Formenwesen sich begnügt und dabei den Bund mit Aberglauben, Heuchelei und Unsittlichkeit nicht verschmäht. Auch in der eigenen Kirche regten sich edle, herrliche Kräfte, welche dem heuchlerischen und unsittlichen Treiben der herrschenden Richtung entgegentraten; auch sie wurden schmählich durch Verfolgungen unterdrückt. Fürsten dieses Volkes waren die geflissentlichsten Vertreter und Pfleger dieser Richtung, und waren dabei Verbrecher auf dem Throne. Auf diese Weise wurde das Salz zertreten und begann das Volksleben zu faulen. Aberglauben und Heuchelei erzeugten nach einem Gesetz der sittlichen Weltordnung Unglauben und Frivolität. Diese erhoben mit einer noch nicht dagewesenen Keckheit ihr Haupt und vergifteten das Volk. Da gährte und grollte es lange in der Tiefe, bis jene furchtbare Revolution losbrach, die viele Schäden und Mißbräuche entfernte, aber auch eine Gottlosigkeit, Frevelhaftigkeit, einen entmenschten Sinn hervorkehrte, wie in der Geschichte der Christenvölker noch nicht dagewesen. Damals geschah es, daß ein bisher sich christlich nennendes Volk in seinen Gewalthabern sich förmlich von Gott und Christo lossagte, alle christliche Ordnung und christlichen Gottesdienst, auch den Tag des Herrn abschaffte. Seitdem ist dieses Volk – es sind bald hundert Jahre – nicht mehr zur Ruhe gekommen; die Freiheit, nach der es geschrieen, hat es nicht erhalten; es ist im Gegentheil in immer neue, immer drückendere Knechtschaft gesunken. Eine Revolution folgte der andern; aus der ersten und der letzten ging in einem wundersam gleichmäßigen Gang der Geschichte ein Napoleon als Gewaltherr hervor. Einer wie der andere bändigte die empörten Elemente;