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Nicht minder wurde die Tuchmacherei hier eingeführt und ihre Produkte erwarben sich großen Ruf. Der Wohlstand der Stadt hob sich bedeutend, und die Landesherrn, wie z. B. Markgraf Wilhelm der Einäugige 1401, suchten den Flor Mitweidas durch ertheilte Privilegien zu festigen und zu vermehren.

Dieser Wohlstand Mitweidas wurde 1450 plötzlich durch die Hussiten vernichtet, welche die ganze Stadt in einen Schutthaufen verwandelten, und so zwar, daß die gesammte Bürgerschaft beschloß, diesen Ort für immer zu verlassen, und nur das von den Landesherrn erlassene Verbot an die benachbarten Städte, auswandernde Mitweidaer bei sich aufzunehmen, zwang sie, die Stadt wieder aufzubauen, die sonst zu einem wüsten Platz geworden wäre.

Nun wurden die Weberei, die Tuchmacherei und die Bierbrauerei wieder mit Eifer zur Hand genommen und die Stadt hob sich schnell zu noch größerem Wohlstand als je vorher, so daß der bedeutende Brand von 1498 ihn nicht stören konnte, und als am 20. Juni 1551 die ganze Stadt durch Feuer so verwüstet wurde, daß nur noch zweiunddreißig Häuser stehen blieben, da sprach keiner der Abgebrannten eine Bitte um Beistand aus; ein Beweis des großen Wohlstandes und des dadurch genährten Stolzes des Ortes.

Die Stadt hatte damals 311 Bürger, 1554 gab es hier fünfzig Brauhäuser. An Bleichwaaren wurden durchschnittlich in einem Jahre 15,600 Ellen Leinwand und 2600 Ellen Schwäbisch gefertigt.

In dieser Blüthe erhielt sich die Industrie, trotz verschiedener Calamitäten, wie z. B. verheerende Seuchen, bis zu dem dreißigjährigen Kriege, welcher eine Menge Leiden über die gewerbreiche Stadt brachte und ihren Wohlstand vernichtete. Mord, Plünderung, Brand, Gelderpressungen folgten sich unaufhörlich. Der Brand vom 16. Mai 1624, wo innerhalb der Ringmauern nur fünf Häuser stehen blieben, verursachte einen Schaden von zweihunderttausend Thalern; 1626 starben an der Pest über tausend Einwohner, 1633 wieder 243 Menschen; 1657 wurde Mitweida zwei Mal rein ausgeplündert, und in Folge davon standen 1640 die meisten Häuser wüst. Zwei weitere Brände im Jahre 1672 und 1692 schienen bestimmt, den Untergang der Stadt zu vollenden.

Aber wieder rang sich Mitweida durch seine Thätigkeit empor und gelangte zu einer vorher nie erreichten Höhe. Erst ging es freilich langsam, aber von 1770 bis 1805 stand die Stadt in höchster Blüthe, ihre Einwohnerzahl hatte sich bis dahin verdreifacht, und es gab 900 Handwerksmeister. Zwar die Tuchmacherei war gesunken, aber dafür fertigte man nun viel Halbseidenzeuge, Plüsch, Flanell, rohen Kattun und Barchent.

Die jährliche Produktion Mitweidas in seiner Blüthezeit betrug jährlich im Durchschnitt 20,000 Stück Kattun, 2000 Stück Barchent, 3000 Stück Flanelle, dann noch viele Tücher, Wollentuch, Musselin, Segeltuch u.s.w. Außerdem arbeitete noch die Umgegend nach Mitweida.

Mehrere angesehene Handlungshäuser vermittelten den Verkauf der Fabrikate, und unter diesen war das von Lorenz das ansehnlichste. Lorenz, ein in seinem Fach ausgezeichneter Mann, hatte mit geringen Mitteln angefangen, durch glückliche Geschäfte aber, namentlich in Kattun und Barchent, arbeitete er sich empor, so daß er bald seine Concurrenten überflügelt hatte und sein Handlungshaus nicht nur das erste in Sachsen, sondern auch eines der größten auf Erden wurde, welches von dem kleinen Mitweida aus Verbindungen nach allen Weltgegenden hatte. Lorenz wurde in den Adelstand erhoben; er erwarb außer anderen Besitzungen nach und nach eilf Rittergütter und starb als der reichste Privatmann Sachsens.

Von dem Jahre 1812 an aber machte Mitweida auffallend rasche Rückschritte in seinem Wohlstand, alle Geschäfte stockten, viele Hände ruhten, die Kriegsjahre offenbarten ihren unheilvollen Einfluß; dann überschwemmten englische Fabrikate die Länder und Mitweidas Erzeugnisse vermochten mit denselben nicht zu concurriren; nicht einmal mit den jetzt schnell emporblühenden Fabriken der Nachbarstadt Hainichen konnte sich Mitweida in Wettstreit einlassen, da es starr und hartnäckig an seinen alten Fabrikaten festhielt, welche auf keinem Markte mehr begehrt wurden. Da kam es denn, daß nach Verlauf von sechs

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/203&oldid=- (Version vom 11.5.2019)