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Die Strohmanufaktur Sachsens.


Zu den ältesten Industriezweigen Sachsens gehört auch die Strohwaarenmanufaktur, denn schon seit vielen Jahrhunderten gingen von hier aus eine Menge Strohhüte, und nebenbei andere Stroharbeiten, nach allen Gegenden Deutschlands und zuweilen selbst noch weit über dessen Grenzen hinaus, und diese Stroharbeiten gaben Tausenden Verdienst, verhalfen Vielen selbst zu Reichthum. Allerdings war das letztere nicht bei den Arbeitern selbst der Fall, deren Verdienst in früheren Zeiten sich noch kümmerlicher herausstellte als jetzt, sondern bei den Händlern, welche für den Vertrieb der Waaren in weitesten Kreisen sorgten, und dadurch nicht selten rasch zu Wohlstand gelangten, ganz so wie dieses bei den erzgebirgischen Spitzenherren auch der Fall war und noch ist, welche sich bedeutendes Vermögen erwarben, während die von ihnen beschäftigten Klöpplerinnen arm blieben, wie vorher, und manchmal kaum das nothdürftigste Brod hatten.

Immer aber blieb die Strohmanufaktur in Sachsen auf eine gewisse Gegend beschränkt, die sich in einem Umfang von sechs Quadratmeilen – während der Blüthezeit dieses Industriezweiges selbst noch weiter – von der Umgebung Dresdens an der Elbe hinauf und bis an den Fuß des Erzgebirges erstreckt. Die Dörfer dieses Bezirks nennt man in der Regel Strohdörfer – doch wird diese Bezeichnung mehr von denen in der Nähe Dresdens gebraucht – und die Hauptsitze dieser Industrie sind wie ehemals so noch jetzt das Städtchen Dohna, die Dörfer Kreischa, welches oft als einziger Hauptsitz und Mutterort der gesammten Strohmanufaktur dieses Bezirks bezeichnet wird, Lockwitz und Possendorf.

Die Ursache der Concentrirung dieses Industriezweiges auf diese eine Gegend ist in dem zu verarbeitenden Material selbst zu suchen, denn nicht überall gedeiht das zum Flechten taugliche Stroh. – Es wird fast allein Waizenstroh verarbeitet, und dieses muß sehr weiß, recht geschmeidig und ohne alle Flecke sein. Die Gegend, wo jetzt der Sitz der sächsischen Strohflechterei ist, hat nach allen Erfahrungen dazu den besten Boden und man ist darüber einig, daß hier ein weit schöneres Material erzeugt wird, als anderswo. Das Stroh des Erzgebirges z. B. ist für feinere Arbeiten nicht zu benutzen, da es gewöhnlich fleckig ist und zu wenig Geschmeidigkeit hat, was man dem feuchten, moorigen Boden zuschreibt. Ueberhaupt verträgt das Waizenstroh nicht viel Nässe, da schon anhaltender Regen dem Halme braune Streifen und Punkte giebt, wodurch er zu dergleichen Arbeiten verdorben ist. Es ist dieses ein Umstand, welcher in nassen Jahren das Flechtstroh selten machte und den Preis der Flechtarbeiten ganz ungewöhnlich steigerte.

Aus diesem Grunde sind auch alle Versuche, die Strohindustrie in noch mehreren Dörfern in anderen Gegenden Sachsens einzuführen gescheitert. Es wäre diese Einführung für sehr viele Ortschaften schon deshalb wünschenswerth gewesen, weil die Stroharbeit für zahlreiche Hände einen zwar nicht gewinnreichen, aber doch willkommenen Nebenverdienst abgegeben hätte, und dabei das Material das billigste von Allen ist, da man die Strohhalme verwerthen kann, die man sonst unbeachtet auf den Düngerhaufen wirft, allein nirgends fand man das Stroh von gehöriger Weiße und Geschmeidigkeit.

Allerdings giebt es jetzt auch in vielen anderen Orten unseres Vaterlandes Strohwaarenfabriken, namentlich in größeren Städten, doch wird dort entweder nur schon in den Strohdörfern gefertigtes Geflecht zu Hüten zusammengefügt, oder wenn ja dort auch Flechtwerk geliefert wird, so ist das Material von anderwärts, oft aus dem Auslande, wie das Reisstroh, bezogen.

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/209&oldid=- (Version vom 11.5.2019)