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Engelhardt in Dresden, welche in Nacheiferung der italienischen Strohflechtarbeiten begannen, auch im Inlande die feinsten Stroharbeiten für Putz- und Luxusartikel ins Leben zu rufen, um in Bezug auf diese Gegenstände, für welche damals namhafte Summen aus Sachsen nach fernen Ländern flossen, von dem Auslande unabhängig zu werden.

Die Geschwister Engelhardt betrieben nun die Strohflechtereien fabrikmäßig, und gaben ihr alle für damalige Zeit, wo man noch keine der heute gebräuchlichen Maschinen kannte, mögliche Vollkommenheit. Die Halme wurden aufgeschlitzt, geglättet, gefärbt; man leimte den Halm auf Papier, auf Seide u.s.w., fertigte zugleich zahllose Formen von Hüten, Häubchen, Körbchen, Vasen, Blumen, Federn u.s.w., und die neuen geschmackvollen Fabrikate fanden so großen Beifall, daß trotz Verdoppelung der Arbeitskräfte das Etablissement doch nicht im Stande war, die eingehenden Bestellungen jedes Mal auszuführen. Die Fabrik erwarb sich in den weitesten Kreisen großen Ruf.

Gezwungen, immer mehr Arbeiter für die feinen Arbeiten anzuwerben, welche sehr gut bezahlt wurden, wurde dadurch die Engelhardtsche Fabrik der Impuls zur neuen Thätigkeit in dem gesammten Distrikt der Strohmanufaktur, die Landleute waren durch die Erfolge gleichsam elektrisirt. – Das gröbste Stroh, das man sonst als unbrauchbar wegwarf, war jetzt zum Aufschlitzen und Glätten grade am unentbehrlichsten; allein aus dem Abgange eines Bundes Stroh löste man noch sechszehn bis zwanzig gute Groschen. Da war nun Alles Leben und Regen, und Alles begann zu flechten, zu nähen und mit Stroh und Strohwaaren zu handeln, die Manufaktur nahm einen Aufschwung, den man vorher nie geahnt und die Zahl der Arbeiter und Händler stieg binnen kurzer Zeit auf das Doppelte; Dörfer, wo man vorher nur spann, vertauschten den Rocken mit dem Strohhalm und standen sich gut dabei.

Das Engelhardtsche Etablissement war auch Veranlassung, daß sich ein Theil der Strohmanufaktur von den Dörfern weg nach Dresden zog, wo schon 1804 über tausend Personen mit Strohflechten und Nähen beschäftigt waren. Mädchen, welche bisher mit Nähen und Sticken ihr Brod erworben, wendeten sich der Stroharbeit zu, welche mehr eintrug.

Auf dem Lande geschah dieser Aufschwung der Strohmanufaktur freilich sehr auf Unkosten der Landwirthschaft; lebhafte Klagen wurden laut, daß die Landbesitzer kaum für hohen Lohn Arbeiter zur Feldbestellung finden könnten und sie gezwungen wären, ihr Gesinde von auswärts kommen zu lassen, da in den Dörfern selbst keine Dienstboten mehr sich finden ließen.

Die steigenden Erfolge der sächsischen Strohflechtereien veranlaßten in Dresden bald noch mehrere Kaufleute, dem Beispiele des Engelhardtschen Etablissements zu folgen und statt daß sie sonst nur die fertige Waare zum Handel kauften, selbst fabriciren zu lassen, wodurch starke Concurrenz entstand, die aber das Gute hatte, daß, indem Einer den Anderen übertreffen wollte, die Waare selbst an feiner und geschmackvoller Arbeit immer mehr Vervollkommnung erhielt, dieses, sowie der Umstand, daß die sächsischen Strohwaaren die wohlfeilsten waren, machte es ihnen möglich, daß sie die zwar weit feineren aber auch weit theurern englischen Strohhüte verdrängten und sie selbst nach Italien verführt werden konnten, obgleich die italienischen Strohhüte berühmt, damals schon sich gleich großen Rufes wie noch heute erfreuten.

Im Jahre 1804 fing man auch an, in diesem Industriezweige die ersten Maschinen einzuführen, vorerst solche, welche den Halm in vier bis sechs Theile zerlegten.

Der jährliche Ertrag, welchen Dresden und die Strohdörfer aus diesem Industriezweige zogen, wurde auf durchschnittlich 130,000 Thaler berechnet; eine Summe, welche bis 1830 noch bedeutend stieg.

Gegenwärtig ist zwar dieser Industriezweig in Folge der starken Concurrenz in dem Distrikt der „Strohdörfer“ etwas zurückgegangen, allein er hat dadurch nichts von seiner Wichtigkeit verloren, indem er daselbst immer noch über sechstausend Menschen beschäftigt. In diesem Distrikt sind die Städte Dohna, Lauenstein, Bärenstein, Dippoldiswalda (seit 1837) Glashütte, Berggieshübel, Liebstadt, und höher hinauf Altenberg und Alt- und Neugeising, welche sich nebst den sie umgebenden Dörfern mit diesem Industriezweig stark beschäftigen.

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/211&oldid=- (Version vom 11.5.2019)