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ke Gufe drinn! Vom zarte Bese-Ris
e goldig Rüethli, schlank und nagelneu!
Lueg, so ne Muetter het ihr Chindli lieb!
Lueg, so ne Muetter ziehts verständig uf,

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und wird mi Bürstli meisterlos, und meint

es seig der Her im Hus, se hebt si b’herzt
der Finger uf, und förcht ihr Büebli nit,
und seit: „Weisch nit, was hinterm Spiegel steckt?“
Und ’s Büebli folgt, und wird e brave Chnab;

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     Jez göhn mer wieder witers um e Hus.

Zwor Chinder gnug, doch wo me luegt und luegt
schwankt wit und breit ke Wienechtchindli-Baum.
Chumm, weidle chumm, do blibe mer nit lang!
O Frau, wer het di Muetterherz so gchüelt?

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Verbarmt’s di nit, und gohts der nit dur d’ Seel,

wie dini Chindli, wie di Fleisch und Blut
verwildern ohni Pfleg und ohni Zucht,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Peter Hebel: Allemannische Gedichte. Macklots Hofbuchhandlung, Karlsruhe 1803, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AllemannischeGedichte_Hebel.pdf/103&oldid=- (Version vom 9.3.2024)