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Seite:Allgemeiner litterarischer Anzeiger GemähldeAusstellung Dresden 1799.djvu/2

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möchte, die Göthe in den Propyläen als wahren GesichtsPunkt der Beurtheilung aufstellt – keine detaillirte Ansichten, wie der Neue Teutsche Merkur, der Kosmopolit, sie uns giebt. Ich will das Ganze umfassen, und muss daher kurz sein, ich werde nur das mittheilen, was mir mein Gefühl beim Anschauen dieses oder jenes KunstWerks sagte. – Habe ich indessen Gelegenheit, ein KennerUrtheil zu belauschen, so will ich auch das nicht vorenthalten.

Die Ausstellung nimmt jedes Mal den 5. März, als am NamensTage des KurFürsten, ihren Anfang, und der Eingang wird täglich von 9–12 Uhr Vormittags und von 2–5 Nachmittags eröffnet. In der Regel sollen die Gemählde 3 Wochen lang zu sehen sein.

Das Lokal, welches jetzt den KunstWerken eingeräumt ist, besteht aus 5 Zimmern des ehemaligen Brühl’ischen BibliothekGebäudes, welche ausser dem zum Zeichnen und Aufstellen der GypsAbgüsse u. s. w. für die Schüler der Dresdner Akademie bestimmt sind. Hohe Fenster, welche über dem Brühl’ischen Garten auf die Elbe hin eine freie Aussicht gewähren, erhellen die Zimmer hinlänglich.

Mit Ausnahme des ersten Zimmers, welches ausschliessend die Arbeiten der Professoren enthält, hängt übrigens alles bunt durch einander. Gemählde, Zeichnungen, KupferStiche, Dilettanten- Schüler- und StümperArbeiten, alles mischt sich in regellosen Reihen. Oft muss ein schlechtes Gemählde durch seine Nachbarschaft einem mittelmäßigen den Rang eines vorzüglichen verschaffen. –

In der Ordnung ist das ProfessorenZimmer das erste, allein der Eintritt ist in das grosse Zimmer, welches ich als das IV. bezeichnet habe, und folglich das ProfessorenZimmer das letzte, aus welchem man wieder in den Vorsaal kommt. Ich finde diese Anordnung sehr natürlich; von den Versuchen zu den vollkommnern, und von diesen zu den MeisterWerken überzugehen, die wenigstens in der Regel die besseren sein sollten. Ich wähle indessen die umgekehrte Ordnung, und führe von den Meistern zu den Schülern, um ohne Nachtheil aufhören zu können, wenn mich im Verfolg dieser Arbeit Zeit oder Geduld verlassen sollte. –

Beim Ein- und Ausgange halten 2 MilitairWachen Ordnung, die zugleich auch dazu dienen, Stöcke und Mäntel in Acht zu nehmen, denn mit diesen darf Niemand in den Saal eintreten. Auch auf die Müffe hat man in diesem Jahre die Kontrebande ausgedehnt. Diese Vorsicht charakterisirt doch das Gemisch der Zuschauer allzu grell! –

L.... iz, bei Dresden, am 23. März 1799.

Thomas Laye.     

I. Zimmer.

HofMahler Anton Graff.

Portrait des Professors Adrian Zingg in Dresden. Ganze Figur. LebensGrösse, in Oel.

Die Stellung meisterhaft, sehr mahlerisch, sitzend unter einem Baume, das linke Bein über das rechte geschlagen, hält er mit der linken Hand den ZeichenKarton vor sich, aufs Knie gestützt, indem er mit der rechten die Augen vor der Sonne schützt, um den zu zeichnenden Gegenstand aufmerksam zu betrachten. Das linke stark in Verkurz gezeichnete Bein kann jeder Künstler zum Nachahmung dienen. Die Haltung ist trefflich, und der durch die Hand auf das Gesicht geworfene SchlagSchatten macht eine sehr gute Wirkung; möchte nur der Lack auf den Wangen nicht so stark gebraucht worden sein. – Dass das Portrait höchst ähnlich ist, bedarf bei Graff’s Gemählden keiner Bemerkung.

Professor und Direktor Joh. Eleazar Schenau.

Die Ehebrecherin vor Christo, in Oel.

Richtiger hiesse dieses Gemählde: „Christus vor der Ehebrecherin.“ Es war ein unglücklicher Gedanke, dieses Weib in kolossalischer Grösse wie eine Vestale ins höchste Licht zu stellen, und Christum kniend zu ihrem Füssen, wo er die Worte: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie,“ mit Griechischen (!!) Buchstaben auf die Erde schreibt. Reitzend ist die Figur des Weibes, voll wollüstigen sinnlichen Ausdrucks, wiewohl zu sorgfältig verhüllt, wie denn Sch. seine Figuren gewöhnlich in einen Haufen von Gewändern einwickelt, die ein Mensch kaum tragen kann. Im Christus sieht man nur einen hübschen Jüdischen Jüngling, allein durch diesen Mangel an Göttlichkeit geht das Erhabene des Gegenstandes ganz verloren; einem so hübschen jungen Manne kann man leicht so viel Galanterie für ein schönes gutwilliges Weibchen zutrauen, dass er sie gegen die Anklage einer Menge alter griesgrämiger Grauköpfe in Schutz nimmt. – Diese sind in einem wilden Chaos auf einander gedrängt, sie stürzen über einander hin mit den verzerrtesten Gebehrden. Wollte Sch. dadurch die Wirkung des Gewissens andeuten? Der GeschichtSchreiber sagt: Sie gingen einer nach dem andern hinaus, von ihrem Gewissen überzeugt. – Hinter Jesu stehen einige seiner Jünger. Unter diesen sind 2 Köpfe das Vorzüglichste des ganzen Gemähldes. Die Architektur ist auf diesem durch die Menge der Figuren so beschränkten Raume sehr überladen, und ein aufsteigender Rauch, dessen Ursache man vergebens aufsucht, füllt noch die wenigen Zwischenräume aus, welche vielleicht dem Auge einige Erholung erlaubten. Die HauptFigur hatte mehrere wesentliche Mängel in der Zeichnung, auch bilden die Arme – sehr unmahlerisch – ein regelmässiges Kreuz. Das Kolorit ist – wie gewöhnlich