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Walther Kabel: Andalusische Mutprobe. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 7, S. 220–223

Wunden des Toten zählte. Ein anderer Mann tat dasselbe bei dem ebenso mit Blut über und über bedeckten Sancho.

‚Zweiunddreißig!‘ sagte der Alte nach einer Weile.

‚Neunzehn!‘ gab der andere an.

‚Sancho, du hast gesiegt,‘ erklärte der Alte feierlich.

Der Sieger nickte nur. Er war vom Blutverlust so erschöpft, daß er taumelte.

‚Was geschieht mit der Leiche?‘ fragte ich schüchtern.

‚Die wird morgen an anderer Stelle zufällig gefunden. Niemand wird wissen, wo und von wem Miguel getötet wurde,‘ erwiderte man mir.

Die Salsa war zu Ende. Einzeln verließen die Leute das Tal. Als mein Führer und ich den letzten Wachtposten wieder passiert hatten, dachte ich erst daran, nach der Uhr zu sehen. Es war halb zwei Uhr. Der Kampf hatte also höchstens fünfzehn Minuten gedauert. Und mir war’s vorgekommen, als hätte ich stundenlang diesem gräßlichen Schauspiel mit beiwohnen müssen.“

Soweit der englische Reisende.

Im Jahre 1910 wurden in Granada sechzehn Männer zu langjähriger Zuchthausstrafe wegen Beteiligung an einer Salsa verurteilt, bei der beide Kämpfer das Leben eingebüßt hatten – ein Beweis, daß der blutige Brauch noch heute besteht.

W. K.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Andalusische Mutprobe. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 7, S. 220–223. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1913, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Andalusische_Mutprobe.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)