Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/4

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

schroff gegenüber, trotzdem eine Vermischung derselben mit Liven bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich ist. Noch heute mag der Lette den Esthen – und umgekehrt – nicht leiden.

Nachdem die Goten- und die Hunnenherrschaft über diese Länder hingebraust, nachdem normannische Wikinger hier und da, namentlich in der Provinz Esthland, kleinere und größere Eroberungen gemacht und von Osten her die russischen Großfürsten manch fetten Bissen zu erhaschen gesucht, nach all den jahrhundertelangen Kämpfen und Wirren, finden wir gegen Ende des zwölften Säkulums Esthen in Esthland und dem nördlichen Livland, Liven an dessen Küste und am Dünastrom, Letten oder Lettgallen nördlich desselben, Semgallen und Selen, ebenfalls Lettenstämme, in Kurland. Allmählich gelang es den Letten, die seeräuberischen Kuren von der Küste wieder zu verdrängen und das ganze „Gottesländchen,“ wie Kurland im Volksmunde häufig genannt wird, in ihren Besitz zu bringen – oder vielmehr nur den Versuch dazu zu machen, – denn schon waren von Lübeck und Bremen her deutsche Kolonisten – Kaufleute, Priester, Ritter – ins Land gekommen (1184). Diesen drei Ständen war es vorbehalten, zunächst Kurland und Livland (Esthland befand sich längere Zeit in dänischem Besitze) zu erobern und sich dann miteinander um den Besitz – zu raufen. Wenn die baltische Vorgeschichte erfüllt ist von blutigen Fehden und Wirren zwischen den Autochthonen, so weist seine spätere, seine eigentliche Geschichte, das noch grauenhaftere Schauspiel deutscher Selbstzerfleischung auf; Erzbischof, Orden, Städte gegeneinander in grimmem Haß gekehrt, in blutigen Vernichtungskämpfen wütend. Nach Einführung der Reformation und Auflösung des Deutschen Ritterordens wurde das flache Land allmählich, d. h. nach erneuten lange währenden

Empfohlene Zitierweise:
Victor von Andrejanoff: Lettische Volkslieder und Mythen. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1896, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/4&oldid=- (Version vom 14.8.2016)