sie unsanft, rauh und schonunglos hinweg. Die Lampe ist im Verglimmen und selbst der Mond scheint im Nebeldampf zu erlöschen. Es ist Frühling, aber die blühenden Bäume athmen schmeichelnd tödtenden Duft aus und Cypressen, dieses Sinnbild des Todes, ragen aus der Ferne empor. Wir müssen diese Erfindung durchaus loben, wenn sie auch schwächliche Gemüther erschüttern sollte, für welche sie nicht erfunden ist. Soll denn aber alles, was die Kunst hervorbringt, auf Kinder und Weiber berechnet seyn? Und ist etwa der Erlkönig deshalb unpoetisch und Rafaels Kindermord unkünstlerisch, weil beide für Schwache zu angreifend sind? – Soll nicht vielmehr die Kunst die ganze Tonleiter der Gefühle durchlaufen, oder blos Hopswalzer spielen? Soll sie nicht auch erschüttern, nicht blos belustigen? – Solche Aesthetiker mögen davon bleiben, aber mitfühlende Menschen herbeikommen. Eine Mitleidthräne wäscht jenen leichten Tadel spurlos weg. Uns scheint jedoch die Mondbeleuchtung nicht wahr und die Färbung des Gemäldes zu warm zu seyn. Die Umrisse sind zu sehr verblasen und die Gestalten sollten nicht durch verlaufende Conture, sondern durch größere Dunkelheit der Schatten, durch Mangel an Reflexen, welche bei Nacht und so getrübtem Licht nur sehr matt sind, auf der Schattenseite unbestimmt seyn.
Friedrich hat uns eine Gebirggegend sehr meisterhaft dargestellt, und der hohe Ernst der Natur spricht durch bedeutende Felsmassen, Nebel und Schneegipfel greifend zum Gemüth. Die Wirkung ist fast täuschend zu nennen, so tritt das Nahe hervor, das Ferne zurück. Fast glauben wir, daß das Bild noch mehr gewinnen würde, wenn die Felsen im Mittelgrunde weniger violet wären, wodurch allerdings das Grün der Matten gehoben wird.
Von Dahl wollen wir hier nur ein kleines Bild anführen, welches der Natur trefflich abgelauscht und nachgefühlt ist. Die elegische Wirkung dieser hüglichen Gegend, auf welche aus einem grauen, nordischen Himmel die verhüllte Sonne herabblickt, ruft uns die nahen Herbsttage in’s Andenken und ladet zu ernsten Gefühlen ein. Anstatt des reifen Waizen, würde hier ein Stoppelfeld mehr an seinem Orte seyn, wie dies uns überhaupt zu breit und aus einem zu hohen Standorte gesehen, vorkommt.
Noch müssen wir hier einer sehr lobenswürdigen neuen Einrichtung gedenken, daß die Industriegegenstände ein würdiges Local erhalten haben. In den Werken der Fabrikanten, Kunstarbeiter und Handwerker tritt die recht eigentlich in’s Leben übergegangene Kunst und der innerste Culturzustand der Völker hervor. Daher schließen sich diese mit vollestem Recht an die Künstler an und ihre Leistungen verdienen eine ehrenvolle Aufstellung.
Karl August Böttiger und Johann Gottlob von Quandt: Die Dresdner Kunstausstellung (1824). Arnoldische Buchhandlung, Dresden 1824, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Artistisches_Notizenblatt_1824_Kunstausstellung_Dresden.djvu/11&oldid=- (Version vom 21.12.2024)