Zum Inhalt springen

Seite:Ausdeved 391715186.pdf/21

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Aufenthalt der versunkensten Menschen besuchen mußte, erfuhr ich, daß der Knabe W., während er in der Anstalt war, allein und auch mit seiner dem Trunke und anderen Lastern ergebenen Mutter seine Auflage daselbst hatte.“ An einer anderen Stelle heißt es: „Die wegen Entweichens und dreiwöchentlichen Umherstreichens zu Ketten, Hand- und Fußschellen verurteilte B. tanzt in ihren Fesseln frech vor den übrigen Kindern.“

Hierbei sei bemerkt, daß die Anwendung von Hand- und Fußschellen, an welchen Eisenketten durch Schlösser so befestigt waren, daß die linke Hand an den rechten Fuß geschlossen war, während an der Schelle des linken Fußes eine sechspfündige Kugel hing, bis in die Mitte der siebziger Jahre Vorbeugungsmittel gegen Fluchtversuche oder Strafe für wiederaufgegriffene Flüchtlinge war. Noch beim Amtsantritte des Verfassers verfügte jeder der drei Aufsichtsbeamten der Anstalt über einen vollständigen Schließapparat, ja einer dieser Apparate war in der oben angeführten Weise an einem Mädchen soeben in Gebrauch genommen worden.

Wie unzulänglich diese entwürdigende Strafe war, ist daraus zu ersehen, daß sie gänzlich verdorbenen Kindern zu Scherz und Unfug diente, daß die nachts an die Bettstellen geketteten Mädchen trotzdem entwichen und Knaben wiederholt von den Ketten loskamen und bei ihrer Flucht dieselben irgendwo versteckten oder sie wegwarfen.

Zu Inspektor Gesell zurückkehrend, sei noch in Kürze bemerkt, daß er nach kurzer Amtsführung als 2. Lehrer bei der Armenschule zu Neustadt-Dresden angestellt wurde, dagegen dem Lehrer Karl Benjamin Seidel, welcher dieses Lehramt bisher verwaltet hatte, die Inspektorstelle an der Korrektionsanstalt übertragen ward. Am 11. Juli 1831 wurde Seidel, der schon bei den früheren Besetzungen durch Wege und Gesell Mitbewerber gewesen war, im Beisein des Bankiers Kaiser und Stadtbuchhalters Rachel durch den Stadtprediger Güldemann eingewiesen und verpflichtet.

Die Erziehungsanstalten auf dem „Neuen Anbaue“, Waisenhaus und Korrektionsanstalt, standen damals unter der Leitung eines Brüderpaares, und als der Inspektor des Waisenhauses, Friedrich August Seidel, das Kirchneramt an der Kreuzkirche übernahm, war Karl Benjamin Seidel 5 Jahre lang gleichzeitig Inspektor des Waisenhauses bis kurz vor seinen Tod, der ihn am 18. September 1840 ereilte.

Auf Grund der vorhandenen Akten muß dem Inspektor Seidel das Zeugnis gegeben werden, daß er als rühriger, geschickter Lehrer und Erzieher den mannigfachen Übelständen, die sich ihm in seiner Amtsführung entgegen stellten, unermüdet zu begegnen suchte. Gleich bei Beginn seiner Thätigkeit in der Anstalt kam er bei der Behörde um Abänderung des vorhandenen Stundenplanes ein, aus welchem er stilles Lesen und Abschreiben beseitigt sehen wollte, weil durch dieses die Kinder eingeschläfert und für den darauf folgenden Katechismusunterricht abgespannt wurden. Er ist gegen die am Sonnabend zu erteilenden 2 Stunden Texterklärung und wünscht mehr Rechenstunden, weil die 1. Klasse drei, die 2. Klasse wöchentlich nur eine solche hatte.

Aus einer späteren Eingabe ist ersichtlich, welch’ schlechte Früchte der