Stiehler, Bernhard: Aus der Vergangenheit der Kinderbesserungsanstalt Marienhof zu Trachenberge bei Dresden | |
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Gemüse ohne Fleisch mit 4 Lot Brot, zum Vesper 8, zum Abende 82/7 Lot Brot. Die Unzulänglichkeit dieser Kost ist daraus ersichtlich, daß schon vom 4. März ab, also nur 2 Tage nach Inkrafttretung der neuen Speiseordnung, für die größeren Zöglinge, die nicht satt wurden, Brot nachgekauft werden mußte.
Die im Juli 1847 seit etwa 14 Tagen ins Leben getretene Einteilung der Knaben in 2 Sittenklassen mußte fallen gelassen werden, weil in 3 Wochen 21 Kinder aufgenommen wurden, von denen ein Teil wegen Raummangel nachts auf den Dielen des Arbeitssaales schlief, ohne daß jedem Kinde eine Decke zu seiner ausschließlichen Benutzung gegeben werden konnte, da die für 30 Kinder eingerichtete Anstalt zu jener Zeit 47 Köpfe, also 17 über den Maximalbestand, zählte. Als hervorragendster organisatorischer Versuch während der Amtierung des Inspektors Schubert muß aber die Aufstellung des Regulativs vom 15. Dezember 1848 anerkannt werden.
Es gelangte in demselben die von Schubert wiederholt angeregte Teilung der männlichen Zöglinge in 3 und die der weiblichen in 2 Sittenklassen zum Ausdrucke, und von den 22 Paragraphen dieses Regulativs handeln allein 9 – 17 von dem Wesen dieser Neuerung. Ohne dasselbe in Rücksicht auf seinen erziehlichen Wert näher beleuchten zu wollen, möge das Regulativ mit dem Bemerken Aufnahme finden, daß seine Durchführung schon an der Lokal- und Personalfrage scheiterte und deshalb, wie genügend aus den Akten ersichtlich ist, in seinen spezifischen Forderungen nur auf dem Papiere bestanden hat.
Selbst der Inspektor Schubert scheint sich von der Undurchführbarkeit seiner Idee bald überzeugt zu haben. Er schreibt kurz vor Einführung des Regulativs am 11. Juni 1848 folgendermaßen: „Einer der wichtigsten und wirksamsten Grundsätze für unsere Anstalt ist der, daß jeder Zögling, sei er Sträfling oder Korrektionär, wie er Selbstzweck ist, auch wieder als Mittel für die Besserung der übrigen benutzt werde. Dies erfordert erstens ein Zusammenleben der Kinder als Glieder einer Familie und zweitens genaue Kenntnis des Charakters jedes einzelnen Kindes.“ Wie sehr er ferner unter den gegebenen Verhältnissen von der Unmöglichkeit der Ausführung der Paragraphen 9 – 17 überzeugt ist, bekundet er in dem Schreiben, in welchem er seiner Dienstbehörde den Entschluß bekannt macht, das Direktorat[1] der Kinderbesserungsanstalt mit Ende Oktober 1849 niederzulegen.
Inspektor Schubert wirkte hierauf 13 Jahre als Lehrer an der höheren Bürgerschule in Döbeln und war einige Jahre Rektor der Stadtschule zu Königsbrück.
Die Kinderbesserungs-Anstalt hat die Bestimmung einer polizeilichen Detentions- und einer Korrektions-Anstalt.
Dem seitherigen Übelstande, daß auch solche Kinder, welche wegen fortgesetzter mutwilliger Schulversäumnisse oder wegen anderer leichter Vergehungen eine korrektionelle Verfügung nötig machen, in diese Anstalt eingeliefert wurden, soll durch die §§ 11 1, 13 1 und 18 1 bemerkte Einrichtung abgeholfen werden.
- ↑ Schubert war unterdessen das Prädikat „Direktor“ beigelegt worden.
Stiehler, Bernhard: Aus der Vergangenheit der Kinderbesserungsanstalt Marienhof zu Trachenberge bei Dresden. Henkel, Dresden 1888, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ausdeved_391715186.pdf/25&oldid=- (Version vom 26.12.2024)