Stiehler, Bernhard: Aus der Vergangenheit der Kinderbesserungsanstalt Marienhof zu Trachenberge bei Dresden | |
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begründen. Dem Direktor bleibt jedoch nachgelassen, in der Zwischenzeit von einer Konferenz zur folgenden, nach seinem pflichtmäßigen Ermessen, interimistisch dergleichen Versetzungen vorzunehmen. Er hat aber in dergleichen Fällen dem Vorstande der Armen-Versorgungs-Behörde sofort Anzeige hierüber zu erstatten.
Nach Verschiedenheit der Sittenklassen ist auch die Disziplin und Beköstigung der Zöglinge, zufolge der Haus- und Speiseordnung, eine verschiedene.
Es können jedoch von dieser Regel in einzelnen Fällen Ausnahmen als besondere Disziplinarmittel nötig werden. Dahin gehört namentlich die Bestimmung:
Die Zöglinge der I. Sittenklasse mit Ausnahme der wegen verschuldeter Schulversäumnisse u. s. w. nur auf kurze Zeit in die Anstalt eingelieferten Kinder, welche am Unterrichte in der Anstalt teil zu nehmen haben, erhalten den vorschriftsmäßigen Schulunterricht in der nahegelegenen IV. Armenschule. Sie werden vom Knabenwärter in die Schule und wieder zurück begleitet.
Dagegen werden die Knaben und Mädchen der II. Sittenklasse – die Mädchen von den Knaben getrennt – besonders und die Knaben der III. Sittenklasse besonders, nach Maßgabe des Lektionsplanes[WS 1], unterrichtet. Während die eine Abteilung Schulunterricht erhält, wird die andere, unter Aufsicht eines Wärters, beziehentlich der Wärterin, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt.
Um die Zöglinge der I. Sittenklasse, welche in ihrer sittlichen Besserung bereits günstige Fortschritte gemacht haben, deren Entlassung daher in kurzer Zeit bevorsteht, an die Freiheit wieder zu gewöhnen, sie unter eine weniger strenge Aufsicht zu stellen und auf diese Weise eine Bürgschaft mehr dafür zu erlangen, daß sie fernerhin sich gut halten und die ihnen geschenkte Freiheit nicht mißbrauchen werden, können dergleichen Kinder auf Antrag der beiden Inspektoren und – wenn diese Kinder auf Beschluß der Polizei-Deputation in die Anstalt eingeliefert worden sind – unter Zustimmung dieser Behörde, in die betreffende Pflegeanstalt versetzt und, wenn sie sich in dieser gut verhalten haben, aus dieser ihren Familien zurückgegeben werden.
Die Zöglinge der I. Sittenklasse sollen von denen der II. und beziehentlich III. Klasse abgesondert gehalten und jeder Umgang derselben mit diesen verhindert werden..
Dagegen sollen die Zöglinge der II. beziehentlich III. Sittentlasse, um ihre Besserung möglichst vollständig bewirken und sie im Guten befestigen zu können, erst dann, wenn sie durch ein fortdauernd gutes Verhalten die Ablegung ihrer vorigen Charakterfehler und ihre Gewöhnung zur guten Sitte bestätigt haben, – in der Regel erst dann, wenn sie die zur Konfirmation erforderliche geistige Reife erlangt haben, – aus der Anstalt entlassen werden.
Dem Ermessen der Armen-Versorgungsbehörde wird anheim gestellt, solche Zöglinge der Anstalt, welche nur wegen leichterer Vergehungen, wegen Hanges zur Liederlichkeit u. s. w. – nicht aber wegen grober Unsittlichkeit und tiefgewurzelter Charakterfehler in die Anstalt eingeliefert worden sind, mit besonderer Rücksicht auf die Individualität des Kindes und der Familienverhältnisse desselben, an zuverlässige Familien auf dem Lande oder auch in Dresden, vorzugsweise an Lehrer, zur weiteren Erziehung, gegen Bezahlung eines angemessenen Pflegegeldes, abzugeben; jedoch nur unter folgenden Modifitationen:
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Lektionsplaues
Stiehler, Bernhard: Aus der Vergangenheit der Kinderbesserungsanstalt Marienhof zu Trachenberge bei Dresden. Henkel, Dresden 1888, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ausdeved_391715186.pdf/28&oldid=- (Version vom 1.1.2025)