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Seite:Beissel Das Martyrthum des hl. Victor und seiner Genossen.djvu/13

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Leib des hl. Victor in seinem Schreine vor sich und brachte ihn, von einem einzigen Priester begleitet, bei Nacht unter den größten Gefahren und nur durch Hilfe der Verdienste des Heiligen nach Köln“[1].

Es ist klar, daß es einer ungläubigen Kritik nicht schwer fallen kann, einige dieser Berichte zu bemäkeln und anzufechten. Es kommt aber hier gar nicht auf den einen oder andern Fund an. Selbst wenn man das eine oder andere Mal die Berichterstatter der Leichtgläubigkeit beschuldigen dürfte, so würden sich doch aus dem Ganzen die folgenden Thatsachen als unanfechtbare Wahrheit ergeben: Unter den Fundamenten und in den Mauern der alten Victorkirche, die 1263 schon baufällig war, fand man menschliche Überreste. Nach einer alten Überlieferung des Xantener Stiftes wurden sie als Reliquien der Genossen des hl. Victor angesehen. Die kostbaren Umhüllungen, die Spuren gewaltsamen Todes und der Ort, an dem man die Reste fand, erschienen Allen als eine wichtige Bestätigung ihrer Überlieferungen. Das Kapitel zweifelte nicht im mindesten an der Wahrheit der Erzählung, daß die Erbauer der alten Victorkirche die gefundenen menschlichen Leiber als Reliquien dort beigesetzt hatten, wo sie nach und nach gefunden und wieder erhoben wurden.

Es fragt sich nun, wann sind die Reliquien unter die Fundamente und in die Mauern gelegt worden?

Da schon im 12. Jahrhundert solche Funde als auffallende und wunderbare Ereignisse erwähnt werden, können die Reliquien nicht beim Neubau, der dem Brande von 1109 folgte, an ihre Stelle gekommen sein. Wären sie erst nach 1109 dort niedergelegt worden, dann hätten die Kanoniker sich nicht wundern können, am Ende des 12. Jahrhunderts die Reliquien zu finden. Man muß also wenigstens bis zu der Erneuerung der Kirche hinaufgehen, welche den Normannen-Einfällen des neunten Jahrhunderts folgte. Diese Erneuerung befaßte sich aber höchst wahrscheinlich nur mit der Wiederherstellung des verbrannten Holzwerkes und erstreckte sich schwerlich auf die Grundmauern der Kirche. Es bleibt also nichts übrig, als die Beisetzung der in Frage stehenden Reliquien in die Zeit der Gründung oder in die eines vollständigen Neubaues der Victorkirche hinaufzurücken, die jedenfalls weit vor das neunte Jahrhundert zu setzen ist. Dadurch ist aber mit der Reihe der Berichte über die Auffindung


  1. Annales Xantenses ad annum 864 bei Pertz, Monumenta II. p. 217; vgl. Spenrath II, § 13.
Empfohlene Zitierweise:
Stephan Beissel: Das Martyrthum des hl. Victor und seiner Genossen. Freiburg im Breisgau: Herder, 1889, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beissel_Das_Martyrthum_des_hl._Victor_und_seiner_Genossen.djvu/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)