Das Martyrthum des hl. Victor und seiner Genossen

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Autor: Stephan Beissel
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Titel: Das Martyrthum des hl. Victor und seiner Genossen
Untertitel:
aus: Die Bauführung des Mittelalters. Studie über die Kirche des hl. Victor zu Xanten. S. 7–21
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Auflage: Zweite, vermehrte und verbesserte Ausgabe
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Herder’sche Verlagsbuchhandlung
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Erscheinungsort: Freiburg im Breisgau
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Besprechung des Martyriums des heiligen Viktors von Xanten
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[7]
Das Martyrthum des hl. Victor und seiner Genossen.

Gegen das Ende des dritten Jahrhunderts war Castra Vetera ein Trümmerhaufen, aber vor seinen zerfallenen Thoren blühten die neue Colonie des Trajan und der Ort Birten. Diokletian saß auf dem Throne des Augustus. Um die Last der Geschäfte zu theilen, die das weite Reich von allen Seiten brachte, nahm er 286 den Maximinian als Mitregenten an. Der neue Cäsar war seiner Geburt nach ein illyrischer Bauer, der auch auf dem Throne seine Abstammung nicht verläugnen konnte. Unter dem Purpur blieb er ebenso wild und roh, wie er als Knabe gewesen. Das zeigte sich kurz nach seiner Erhebung. Er stand mit einem großen Heere in Octodurum, dem heutigen Martinach im Kanton Wallis. Nicht weit vom Hauptheere entfernt lag in Agaunum, dem heutigen St. Maurice in demselben Wallis, eine Legion, deren Soldaten Thebäer hießen, weil sei aus dem Oriente gekommen waren. Ein großes Opfer sollte dem Beginne des Krieges und dem Aufbruch des Heeres vorangehen. Aber die thebäische Legion bestand aus Christen. Darum erklärte ihr Anführer Mauritius im Namen Aller, sie würden nicht zum Götzenopfer erscheinen. Wüthend befahl der Tyrann, die Legion zweimal zu decimieren. Als sie standhaft blieb, ließ er alle ihre Soldaten tödten. Einzelne Abtheilungen der Legion waren aber schon rheinabwärts gezogen. Der Cäsar sandte ihnen Boten nach, mit dem Befehle, zu opfern oder zu sterben. Die christlichen Helden zogen ein ruhmvolles Martyrium diesem Leben vor, und so starben größere oder kleinere Schaaren der Thebäer in Solothurn, Trier, Bonn, Köln und Xanten. Über die Xantener Martyrer erzählt die Tradition der Kirche und der Gegend:

„St. Victor kam mit seinen Genossen rheinabwärts und schlug sein Lager auf in den Wiesen zwischen Birten und Xanten. Dort ereilten ihn die Boten des Maximinian. Sie führten ihn in’s Amphitheater, das neben der jetzigen Kirche von Birten erhalten ist, und forderten ihn auf, den Götzen zu opfern. Als er sich dessen weigerte, wurde er niedergemacht mit all seinen Genossen, deren Zahl sich auf 360 belief. Die Leichen der Martyrer wurden in einem Sumpf versenkt, der im Mittelalter „Maar“ hieß, und zwischen der Märtpforte (Martyrerpforte) und dem Marsthore der Stadt Xanten lag. Dort blieben sie nicht lange ungeehrt. Sie wurden erhoben und ehrenvoll begraben. Die Gebeine des hl. Victor kamen in die Kirche von Xanten. Die Kirche von Birten erhielt die Reliquien des hl. Malosus, des vornehmsten [8] Gefährten des hl. Victor. Die übrigen Soldaten wurden in der Victorskirche beigesetzt.“[1]

Die Kritik hat sich nun nicht damit begnügt, einzelne Theile dieser Erzählung anzugreifen. Nein, sie hat die Axt an die Wurzel gelegt und das ganze Martyrium der thebäischen Legion zuerst in Frage gestellt und dann geläugnet. Da nicht nur unbedeutende oder veraltete Schriftsteller gegen die alten Überlieferungen vorangegangen sind, sondern selbst Stolberg sich zu solchen Behauptungen hinreißen ließ, ist es nöthig, hier I. die Wahrheit des Martyriums der thebäischen Legion im Allgemeinen zu beweisen und dann II. zu zeigen, wie insbesondere das Martyrium des hl. Victor zu Xanten hinlänglich beglaubigt ist.[2]

I. Alle Einwürfe gegen die Wahrheit des Martyriums der thebäischen Legion lassen sich auf drei Sätze zurückführen. Die Gegner sagen:

1. Es ist nicht nur unwahrscheinlich, daß orientalische Soldaten als Christen im Abendlande gemartert wurden, sondern noch unglaublicher, daß eine ganze Legion so hingeschlachtet wurde.

2. Der Bericht über ihr Martyrium ist spät und er enthält Thatsachen, die mit der Zeitgeschichte unvereinbar sind.

3. Ältere gewichtigere Schriftsteller wissen nichts von dem Martyrium, welches doch eine so auffallende Thatsache ist, daß alle Welt davon reden mußte.

Prüfen wir jeden dieser Einwürfe.

1. Die Existenz einer thebäischen Legion ist unanfechtbar, weil die Notitia dignitatum[3], ein römischer Staatskalender aus der Zeit nach 425, nicht nur eine, sondern mehrere thebäische Legionen so aufführt, [9] daß dieselben offenbar schon zur Zeit des Diokletian und Maximinian bestanden haben müssen. Nun weiß aber Jeder, wie leicht die Römer ihre Legionen aus einem Theile der Welt in den anderen beriefen. Sie führten dieselben je nach Bedürfniß aus dem Abendland in’s Morgenland, und ebenso aus dem Orient in den Occident. Es kann sich also nur darum handeln, ob es glaublich ist, daß unter Maximinian eine ganze Legion, die in die Schweiz beordert wurde, christlich war. Man braucht aber nur die Kirchengeschichte des Eusebius und vor Allem den Anfang des achten Buches zu lesen, um zu erkennen, wie weit um 300 das Christentum im Oriente verbreitet war. Es blühte dort so, daß ganze Landstriche fast nur von Christen bewohnt waren. Wurden in solchen Gegenden Soldaten ausgehoben, so konnte ein christlicher Anführer es ohne viele Mühe so einrichten, daß nur Glaubensgenossen in seine Legion kamen. Die Decimierung und Niedermetzlung einer ganzen Legion aber war bei den Römern keineswegs unerhört. Sie paßt durchaus zum Charakter des rohen Maximinian. Konnte man in Rom unter den Augen des Senates 4000 Soldaten mit dem Beile hinrichten, weil sie bei der Belagerung von Regium ihren Auftrag überschritten und die vornehmsten Bewohner getödtet hatten[4], wer wird es dann unglaublich finden, daß ein Maximinian 6000 Soldaten niedermetzeln ließ, die sich seinem Befehle nicht fügten und seine Götzen verachteten?

2. Durch den Nachweis, daß das Martyrium einer christlichen Legion unter Maximinian nichts Unwahrscheinliches enthält, ist ein Haupteinwurf gegen die ältesten Berichte bei Seite geschafft. Nun behaupten aber die Gegner weiter, diese Berichte enthielten noch viele andere Angaben, die sich mit der Geschichte nicht vereinigen ließen. Sie berufen sich indeß dann immer auf Stellen, die nur in der Überarbeitung der ältesten und echten Acten sich finden. Es liegt aber, wenigstens für diese Arbeit, kein Grund vor, diese Überarbeitungen zu vertheidigen oder für sie einzustehen, indem uns die alten Acten genügen. Erst die interpolirten Acten und die spätern Erzählungen bringen das Martyrium der Thebäer mit dem Aufstande der Bagauden in Gallien in Verbindung, indem sie erzählen, die Bagauden seien gallische Christen gewesen, welche von römischen Steuerbeamten zur Verzweiflung getrieben wurden und in einem blutigen Aufstande das letzte Mittel zur Rettung zu finden wähnten. Maximinian habe in Octodurum seine Soldaten aufgefordert, den Götzen [10] zu opfern, um so dem Kaiser ihre Treue zu beweisen und dann erst gegen die rebellischen Christen verwandt zu werden. Mauritius und seine Legion aber habe sich geweigert, an den heidnischen Opfern Theil zu nehmen, und auch nicht gegen Christen ausrücken wollen, die schuldlos verfolgt waren.

Man mag über diesen Bericht denken, was man will. Die Wahrheit des in Rede stehenden Martyriums wird dadurch nicht angefochten, weil die ältesten und echten Acten von dem Aufstand der Bagauden schweigen.

Diese ältesten Acten sind vor 454 geschrieben, also nur ungefähr 160-170 Jahre nach dem Ereigniß, das sie berichten. Ihr Verfasser ist ein durchaus glaubwürdiger Mann, der hl. Eucherius, welcher 454 als Bischof von Lyon starb. Eucherius versichert zudem, er verdanke seine Nachrichten einem ältern Zeugen, dem Bischofe Isaak von Genf, der sich auf einen dritten noch älteren Gewährsmann bezogen habe, auf den Bischof Theodor, der um das Ende des vierten Jahrhunderts starb[5].

3. Haben wir so ein durchaus achtungswerthes Zeugniß für das Martyrium erwiesen, so ist dadurch dem Einwurf aus dem Stillschweigen der Schriftsteller die Spitze abgebrochen. Man kann ihn aber auch direct entwerthen und widerlegen. Du Bourdieu hat sich die Sache leicht gemacht. Er zählt die besten Schriftsteller des vierten und fünften Jahrhunderts auf, indem er in rhetorischen Phrasen und siegbewußter Emphase fragt, warum dieser und jener vom Martyrium der Thebäer nichts meldet, um sich dann am Ende zu rühmen, er habe den Katholiken mehr als 6000 Martyrer mit einem Schlage genommen. Es wäre verlorene Mühe, solchen Spiegelfechtereien Fuß für Fuß zu folgen. Für den unparteiischen Forscher kann höchstens das Stillschweigen des Eusebius und des Sulpicius Severus in Betracht kommen.

Wer aber bedenkt, daß Eusebius außer dem Buche über die Martyrer von Palästina noch ein anderes Buch über die alten Martyrer schrieb, das verloren gegangen ist, der wird sich nicht wundern, daß er [11] in seiner Kirchengeschichte von den Thebäern nicht ausdrücklich redet. Im Buche über die Martyrer waren sie zu behandeln, und wie kann man behaupten, daß er dort von ihnen nichts sagte? Ein indirectes Zeugniß für den hl. Mauritius und seine Legion bietet er aber auch in seinen kirchengeschichtlichen Werken, weil er in ihnen öfter wiederholt, daß die große Verfolgung des Diokletian und Maximinian bei den Soldaten begann[6].

Die schärfste Waffe der Gegner ist das Stillschweigen des Sulpicius Severus, das Stolberg mit Nachdruck in’s Feld führt, indem er dem du Bourdieu nachschreibt:

„Sulpicius Severus, dessen Gewicht in der Kirchengeschichte so groß ist, der ein älterer Zeitgenosse des Eucherius war und wie dieser in Gallien lebte, sagt nicht allein nichts von dieser Legion, sondern bemerkt ausdrücklich, daß von dem Ende der valerianischen Verfolgung an bis zur Zeit, da unter Diokletian und Maximinian sich die bitterste Verfolgung erhoben, fünfzig Jahre verstrichen seien.“

Leider braucht man dem ausgezeichneten Verfasser nichts Anderes zu erwiedern, als das, was die Bollandisten schon hundert Jahre vorher dem du Bourdieu antworteten, von dem Stolberg sich irreleiten ließ. Er hat den Sulpicius Severus entweder nicht gelesen oder nicht verstanden, denn dieser fährt nach den von Stolberg angeführten Worten so fort: „Es gibt ausgezeichnete Berichte über die Martyrer jener Zeit (des Diokletian und Maximinian), die ich meinem Werke nicht beifügen wollte, damit es nicht zu umfangreich würde.“[7] Spielt Sulpicius Severus da nicht deutlich auf Eucherius an, den Stolberg „seinen ältern Zeitgenossen“ nennt?

Außer Eucherius, dem hl. Bischofe von Lyon, der wie erwähnt sich auf die Bischöfe Isaak von Genf und Theodor beruft, berichten über die Thebäer Gregor von Tours, Venantius Fortunatus, Walafried Strabo und nach ihnen eine unabsehbare Reihe mittelalterlicher Schriftsteller[8]. Die ältesten und besten Martyrologien nennen ihre Namen, das alte [12] gothische Missale hat ihre Messe. Wie kann man es wagen, sich auf das Stillschweigen der Schriftsteller zu berufen, um eine historische Thatsache, die so beglaubigt ist, zu läugnen? Und wenn kein Schriftsteller von den Thebäern redete, das Kloster Agaunum, welches schon 515 vom Könige Sigismund erneuert wurde und sich immer als Hüter ihrer Reliquien betrachtete, wäre schon allein eine genügende Auctorität, zumal da sein Zeugniß von so vielen der ältesten Kirchen in allen Theilen Europa’s gestützt wird, die entweder auf den Namen thebäischer Martyrer geweiht sind oder ihre Reliquien verehren und ihr Fest feiern.

II. Ist somit das Martyrium von Agaunum als unumstößliche Thatsache gesichert, so ist damit eine feste Grundlage gewonnen, auf die sich ein erster Beweis für den Martyrtod des hl. Victor zu Xanten stützen kann. Er ist indirect und läßt sich in folgender Weise zusammenfassen: An das Martyrium der thebäischen Legion zu Agaunum schließt sich die Erzählung von Martyrien einzelner Abtheilungen der Legion in der Weise an, daß die von Solothurn, Trier, Bonn und Köln eng mit Xanten verknüpft sind. – Nun sind aber die vier Martyrien von Agaunum, Solothurn, Trier und Köln sicher beglaubigt. Also verdienen die Localtraditionen über das Martyrium von Xanten allen Glauben und dasselbe ist festzuhalten, so lange es nicht durch klare Gründe positiv als unglaublich erwiesen wird. – Schon der hl. Eucherius verbindet das Martyrthum der hhl. Victor und Ursus, die in Solothurn starben, mit dem der Niedermetzlung der Legion in Agaunum. Gregor von Tours bezeugt, daß der hl. Gereon und seine Genossen, die in Köln verehrt wurden, „aus jener bekannten heiligen thebäischen Legion seien, die für den Namen Jesu gemartert wurde“. Alle alten Martyrologien legen die drei Martyrien von Bonn, Köln und Xanten auf den 8.-10. October und betonen mehr oder weniger deutlich ihre Zusammengehörigkeit. Später wurden alle drei von der Kölner Kirche auf den 10. October vereint. Der Cistercienser Helinand bezeugt um 1200[9]:

„Im heiligen Köln ist die Sitte alt geworden, die hhl. Martyrer Gereon (von Köln), Victor (von Xanten) und Cassius mit Florentius (von Bonn) sammt ihren Genossen, die durch ein dreifaches Martyrium gekrönt sind und die an drei Orten in würdiger Weise begraben wurden, an einem Tage zu [13] verehren; denn jene sind in der Freude ihres Lohnes nicht getrennt, die in der Standhaftigkeit eines ruhmvollen Leidens nicht von einander abwichen.“

Die Trierer Traditionen nennen ihre ersten Martyrer immer thebäische Soldaten des hl. Mauritius. Der Zusammenhang der fünf Martyrien ist aber nicht nur historisch durch Zeugnisse der Schriftsteller, sondern auch, wenn man sich so ausdrücken darf, geographisch bezeugt. Es liegen nämlich die Orte Agaunum, Solothurn, Trier, Bonn, Köln und Xanten in fast grader Linie neben dem Rheinlaufe, so daß sie den kürzesten Landweg von der Schweiz zur Rheinmündung oder vom Orient nach England bezeichnen. War die Legion, wie Viele behaupten, aus dem Orient berufen, um gegen die Bagauden zu kämpfen, und wurde sie, weil der Bagaudenaufstand rasch niedergeschlagen war, nach England bestimmt, wo Carausius sich als Gegenkaiser aufgeworfen hatte, dann waren Solothurn, Trier, Bonn, Köln, Xanten die Städte, durch die ihr Vortrab und ihre Quartiermacher ziehen mußten. Selbst die Zahlen der Martyrer an den verschiedenen Orten sprechen für ihre Zusammmengehörigkeit. Es sollen nämlich gestorben sein:

in Xanten 330–360
in Köln 318
in Bonn 8
in Trier 660.

Wie kommt es, daß die Zahlen so stimmen, daß auf Xanten und Köln je eine Cohorte kommt, und daß Trier, die Hauptstadt der Rheingegenden, zwei Cohorten hat? Das gibt doch, wenn man alle andern Quellen hinzunimmt, einen neuen Wink, daß es sich um das Martyrthum einer auf dem Marsche befindlichen Legion handelt[10].

Wenden wir uns nun zum Untersatz, in dem aus den sechs Martyrien vier als besonders klar beglaubigt hervorgehoben werden. Die historische Sicherheit des Hauptmartyriums in Agaunum ist oben klar erwiesen. Für das Martyrium in Solothurn steht der hl. Eucherius als unabweisbarer Zeuge ein. Das Kölner Martyrium ist im sechsten Jahrhundert [14] durch Gregor von Tours und Venantius Fortunatus, den Bischof von Poitiers, sowie durch die ganze Tradition der großen Kölner Kirche gewährleistet. Trier kann seine Traditionen bis in’s vierte Jahrhundert herab durch Urkunden und Denkmäler erhärten. Sind aber so diese vier Martyrien kritisch so weit erwiesen, als ein vernünftiger Forscher, der alle Umstände in Erwägung zieht, verlangen kann, warum sollte man dem Xantener mit Zweifelsucht und Unglauben entgegentreten? Kamen die Soldaten dem Rhein entlang bis Köln, dann war Xanten die nächste große Garnisonsstadt, und kein unparteiischer Gelehrter kann es von vorneherein unwahrscheinlich finden, daß auch dort thebäische Soldaten für den Glauben starben.

III. Der indirecte Beweis gibt wenigstens ein negatives Resultat. Er zeigt, daß man nicht schwierig sein darf, das Xantener Martyrium anzunehmen, und daß man an dasselbe glauben muß, sobald nur einige stichhaltige positive Gründe beigebracht werden können. Solcher Gründe gibt es aber viele in den Xantener Traditionen. Diese Traditionen sind also hier darzulegen und zwar so, daß die legendarischen Ausschmückungen vom historischen Kern, auf den es hier allein ankommt, abgeschieden werden.

Die letzten Zeugen der Überlieferungen des Xantener Stiftes sind Pels und de Sandt, die im vorigen Jahrhundert lebten. Ihre Erzählung ist indessen nichts Anderes, als eine Wiederholung der Legende, die der Kanonikus Philipp Schön in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts schrieb. Schön hat, wie es scheint, die Erzählung des Cisterciensers Helinand (c. 1200) benutzt. Helinand selbst konnte die Traditionen des Xantener Stiftes leicht kennen; denn das Kloster Kamp, das seinem Orden angehörte, lag nicht nur nahe bei Xanten, sondern war auch mit dem Victorstifte verbrüdert. Man braucht freilich nicht zu läugnen, daß auch Helinand nicht als Historiker auftritt, sondern als Legendenschreiber. Den historischen Kern, auf den es ankommt, gibt Otto von Freising († 1158), indem er schreibt: „Auch Victor tödtete (der Verfolger) mit 360 Genossen in der Stadt Troja, die jetzt Xanten heißt.“ Etwas ausführlicher findet sich die Thatsache in poetischer Fassung beschrieben im weißen Buche, das aus der Zeit des Otto stammt und die Xantener Fest-Antiphon bringt, die lautet:

„Böse Männer nahten sich dem hl. Victor, der mit seinen Genossen über das Meer gekommen war; dem Rheine entlang zogen sie hinab und kamen gerades Weges zu den Gemarkungen von Troja (Xanten). Da breiteten [15] sie ihre Zelte aus in lieblichen Wiesen. Hinterlistiger Weise wurden sie getödtet. Dreihundert und dreißig wurden enthauptet. Ihre Leiber warf man weg an sumpfige Orte.“[11]

Dieser poetische Erguß liturgischer Begeisterung ist die älteste Nachricht über die Geschichte des hl. Victor. Ein Brand hat 1109 alle frühern Manuscripte des Stiftes vernichtet; da aber offenbar die Antiphon älter ist, als das Chorbuch, in welchem sie erhalten ist, reicht sie über den Brand hinaus in höhere Jahrhunderte. Lassen uns die Handschriften im Stiche, wenn wir alte Nachrichten suchen, so ist eine Reihe von Zeugnissen vorhanden, die auf anderem Wege tiefer hinabführt in das Dunkel der Geschichte. Sie beginnt mit den Protokollen und Nachrichten über Auffindung und Erhebung der Reliquien der thebäischen Soldaten. Da bei solchen Funden jedes Wort der Augenzeugen vom größten Werth ist, und ihre Berichte durch Umschreibung so leicht verfälscht werden, so scheint es am besten, hier die Worte der Quellen in treuer Übersetzung zu geben, und zwar in aufsteigender Zeitfolge. Der jüngste Fund wurde im Anfange unseres Jahrhunderts gemacht und ein Augenzeuge berichtet über ihn also:

I. „Als im Jahre 1813 ein Theil des Chores in unserer Kirche von neuem gepflastert und etwa 10 Schuh (Fuß) tief (zwischen den Stallen, hinter dem Pfarraltare) in der Erde absichtlich gegraben wurde (um zu versuchen, ob da vielleicht ein Verbürgniß könnte angebracht sein), entdeckte man Gräber von großen tufsteinernen Platten von Mannesgröße; auch noch in der nämlichen Tiefe Stücke von römischen Dachziegeln. Die Deckel der Gräber waren davon weggenommen und die Gräber mit Erde und Schutt gefüllt, welches auf den Gedanken führte, daß sie in früherer Zeit müssen geöffnet worden sein. Die Steine zweier Gräber wurden herausgenommen, ohne daß irgendwo eine Inschrift oder ein Zeichen hätte entdeckt werden können. (Vielleicht waren diese Gräber auch ehedem Ruhestätten der heiligen Martyrer, aus denen die Gebeine sind ausgenommen worden.)“[12]

II. „1641. Als das Grab des ehrwürdigen und edeln Herrn, des Decans Kaspar von Ulfft, seligen Andenkens, zu Füßen des Altares des hl. Matthias (oben im südlichen Seitenschiffe) nach Mittag hin ausgegraben wurde, sind drei Sarkophage gefunden worden, welche Gebeine oder Reliquien enthielten. [16] Einer enthielt einen ganzen Menschen. … Da die Herrn Kapitulare der Meinung waren, die Überreste seien wahrscheinlich von der Gesellschaft des hl. Victor, so ließen sie dieselben unberührt. Mit Rücksicht auf die gefundenen Sarkophage und weil man von den Vorfahren, vom Decan Hatzfeldt und von Andern gehört hatte, unter den Fundamenten der früheren (romanischen) Kirche, vorzüglich in der Nähe der (jetzigen) Säulen, ständen noch mehr solcher Sarkophage, so wurde um diese Zeit durch Kapitelsbeschluß festgesetzt, von jetzt an sollten für die in Zukunft sterbenden Decane keine neuen Gräber mehr gegraben werden, sondern ihre Leichen sollten in den alten Gräbern ihrer Vorfahren beigesetzt werden.“[13]

III. Im Jahre 1464 wurde die enge romanische Thüre erweitert, die nördlich vom Lettner aus dem Seitenschiff in den Umgang führte. Als man deßhalb neben den Thürpfosten die alte Mauer abbrach, fand man in ihr an jeder Seite ein künstliches Behältniß und in jedem Behältniß einen Armknochen und kleinere Gebeine, die so sorgfältig an diese Orte hingelegt waren, daß der Decan Heimerik sie als Reliquien erklärte und auf den Hochaltar brachte, wie er selbst in seinem Buche als Augenzeuge erzählt.[14]

IV. 1397. „Als das alte Fundament der Xantener Kirche an der Stelle geöffnet wurde, wo die vier Pfeiler des Mittelschiffes (westlich vom Lettner) erbaut werden sollten, fand man dort zwei Leiber, die nebeneinander gelegt waren.“[15]

V. „Als im Jahre 1284 der östliche Theil der Xantener Kirche, der wegen seines Alters dem Einsturze nahe war, bis zum Boden niedergelegt wurde, fand man durch Gottes Vorsehung unter den weiten und festen Fundamenten, wohin man gewöhnliche Leichen weder begraben konnte noch durfte, einen edlen Schatz heiliger Körper, der so groß war, daß man auf engem Raum und in kurzer Zeit ungefähr 17 Martyrerleiber aufdeckte mit sicheren Zeichen und klaren Beweisen (martyrum corpora certis intersignis et evidentibus indiciis). Sie wurden in festlicher und frommer Weise erhoben und in Kasten gelegt. Die Häupter, welche man unversehrt haben konnte, wurden mit geziemendem Schmucke in einem besonderen Schreine bewahrt. So erfuhren wir, daß die Berichte unserer Altvorderen wahr seien, die zu versichern pflegten, von Geschlecht zu Geschlecht habe man erzählt: es sei eine Überlieferung, daß die hl. Helena, die erste Gründerin der Kirche von Xanten, diese heiligen Leichen so unter den Fundamenten beigesetzt habe, wie sie gefunden wurden. Für den Glauben an diese Überlieferung und Erzählung kommt als ein bedeutendes Beweismittel der Umstand hinzu, daß, als vor einigen Jahren im westlichen Theile der genannten Kirche ein neuer bequemerer Bau, der dritte, nämlich ein neuer Chor, erbaut wurde, alsbald auch dort, als die Fundamente gegraben und die Erde ausgeworfen wurde, mehrere Körper der Heiligen (vgl. unten Nr. VII.) in ähnlicher Weise gefunden wurden. Da nun sowohl im oben erwähnten vordern (östlichen), als auch im [17] andern (westlichen) Theile der Kirche so viele Leiber der Martyrer gefunden wurden, so kann Niemand zweifeln, daß auch an den Orten, die in der Mitte liegen, die übrigen Leiber der heiligen Martyrer in Frieden begraben ruhen, die offenbar werden sollen zu der Zeit, welche der göttlichen Vorsehung gefällt.“[16]

VI. „Als in dem älteren Archive, d. h. in der alten Sacristei, der alte Boden des Belages öfters tief eingefallen und die so entstandene Einsenkung wiederholt ausgefüllt worden war, und sich doch nie so füllen ließ, daß nicht immer die aufgeschüttete Erde sich setzte, sondern eine sichtbare Mulde blieb, wurde endlich auf den Rath Einiger Grund und Boden rings umher bloßgelegt. Da fand man gleich, unter dem aufgedeckten Bodenbelage verborgen, zwei Leiber, die als heilige Martyrer erkannt wurden durch sichere Zeichen (per certa signa), indem sie nämlich mit Zierraten und silberner Umhüllung umgeben waren (cum ornamentis et involumentis argenteis). Sie waren in einen Steinsarg, wie in ein Bett, gelegt. Beide Leiber wurden mit Anstand und Ehren in einen Schrein des Xantener Chores gebracht.“[17]

VII. „Man fand aber auch durch Gottes Rathschluß vor einigen Jahren am 16. März den Leib eines andern Martyrers, der in Purpur gekleidet war, Sandalen trug und dessen Haupt abgeschnitten war (purpura vestitum, cum calceis, capite praeciso). Unser hochwürdigster Vater in Christo, der Erzbischof Philipp von Köln (1168-1191), hat ihn erhoben, wie es sich ziemte. Wir aber, die damals in Xanten wohnten und die wir die Blutspuren, durch welche die Haare dieses Martyrers zusammenklebten, in seinem Grabe sahen, schreiben dieß für euch, die in Zukunft kommen werden, damit ihr glaubet, wenn ähnliche Ereignisse berichtet werden, die wir weder sahen noch meldeten.“[18]

VIII. 1129 wurden die Gebeine des hl. Victor in den Schrein gebracht, der noch jetzt auf dem Hochaltar der Xantener Kirche steht.[19]

IX. 864. Als die Normannen Xanten überfielen und die Kirche des hl. Victor anzündeten, „da bestieg der Propst eilig ein Pferd, stellte den [18] Leib des hl. Victor in seinem Schreine vor sich und brachte ihn, von einem einzigen Priester begleitet, bei Nacht unter den größten Gefahren und nur durch Hilfe der Verdienste des Heiligen nach Köln“[20].

Es ist klar, daß es einer ungläubigen Kritik nicht schwer fallen kann, einige dieser Berichte zu bemäkeln und anzufechten. Es kommt aber hier gar nicht auf den einen oder andern Fund an. Selbst wenn man das eine oder andere Mal die Berichterstatter der Leichtgläubigkeit beschuldigen dürfte, so würden sich doch aus dem Ganzen die folgenden Thatsachen als unanfechtbare Wahrheit ergeben: Unter den Fundamenten und in den Mauern der alten Victorkirche, die 1263 schon baufällig war, fand man menschliche Überreste. Nach einer alten Überlieferung des Xantener Stiftes wurden sie als Reliquien der Genossen des hl. Victor angesehen. Die kostbaren Umhüllungen, die Spuren gewaltsamen Todes und der Ort, an dem man die Reste fand, erschienen Allen als eine wichtige Bestätigung ihrer Überlieferungen. Das Kapitel zweifelte nicht im mindesten an der Wahrheit der Erzählung, daß die Erbauer der alten Victorkirche die gefundenen menschlichen Leiber als Reliquien dort beigesetzt hatten, wo sie nach und nach gefunden und wieder erhoben wurden.

Es fragt sich nun, wann sind die Reliquien unter die Fundamente und in die Mauern gelegt worden?

Da schon im 12. Jahrhundert solche Funde als auffallende und wunderbare Ereignisse erwähnt werden, können die Reliquien nicht beim Neubau, der dem Brande von 1109 folgte, an ihre Stelle gekommen sein. Wären sie erst nach 1109 dort niedergelegt worden, dann hätten die Kanoniker sich nicht wundern können, am Ende des 12. Jahrhunderts die Reliquien zu finden. Man muß also wenigstens bis zu der Erneuerung der Kirche hinaufgehen, welche den Normannen-Einfällen des neunten Jahrhunderts folgte. Diese Erneuerung befaßte sich aber höchst wahrscheinlich nur mit der Wiederherstellung des verbrannten Holzwerkes und erstreckte sich schwerlich auf die Grundmauern der Kirche. Es bleibt also nichts übrig, als die Beisetzung der in Frage stehenden Reliquien in die Zeit der Gründung oder in die eines vollständigen Neubaues der Victorkirche hinaufzurücken, die jedenfalls weit vor das neunte Jahrhundert zu setzen ist. Dadurch ist aber mit der Reihe der Berichte über die Auffindung [19] der Reliquien ein monumentaler Beweis für das Martyrium des hl. Victor in Xanten beigebracht, dessen Fäden noch über das neunte Jahrhundert hinaufreichen. Nun berichtet Gregor von Tours von einem noch ältern Fund, der uns bis in die Zeiten des Martyriums führt.

Der Vater der fränkischen Geschichtsschreibung erzählt zuerst, wie der Bischof Eberegisilus von Köln dadurch geheilt wurde, daß er auf sein krankes Haupt Staub legte, der aus der Kirche und vom Grabe des hl. Gereon kam, die vor der Stadt Köln stand. Er bemerkt ausdrücklich, daß der hl. Gereon mit seinen Genossen zur bekannten thebäischen Legion gehörte, und beginnt dann seinen Bericht über die Auffindung der Gebeine des hl. Mallosus, der einer der vornehmsten Genossen des hl. Victor war. Der Inhalt seiner Worte läßt sich kurz so zusammenfassen:

Der hl. Martyrer Mallosus hatte in der Stadt Birten eine Kapelle, aber sein Grab war unbekannt. Eberegisilus baute nun neben die Kapelle eine Basilika. Kaum war sie vollendet, da fand man durch göttliche Offenbarung die Reliquien des hl. Mallosus mitten in der Absis seiner alten Kapelle sieben Fuß tief unter der Erde. Sie wurden feierlich erhoben und in der neuen Basilika beigesetzt. Die ganze Erzählung schließt dann mit den Worten: „Man erzählt, auch der Martyrer Victor sei dort begraben, aber wir hörten noch nicht, ob seine Gebeine gefunden seien.“[21]

Aus diesen Worten folgt offenbar, daß zur Zeit des Gregor Victor und Mallosus bekannt waren, und daß alle seine Leser wußten, daß sie zusammen gehörten. Nun hatte der hl. Mallosus, der doch nur ein Genosse des hl. Victor war, schon im sechsten Jahrhundert eine Kapelle, die der Bischof von Köln erweiterte, und in dieser alten Kapelle ruhten seine Reliquien schon so lange, daß man den Ort derselben vergessen hatte. Sie waren also lange Zeit vor dem sechsten Jahrhundert dort beigesetzt, und zwar in der Absis, wo nie andere Leiber als die der Heiligen hingelegt wurden. Mallosus ward also lange vor dem sechsten Jahrhundert als Martyrer in Birten verehrt, und zwar deßhalb, weil er, wie Gregor von Tours sagt, bei Birten für den Glauben starb. Sein Martyrthum ist also klar bewiesen, und damit ist ein wichtiges Zeugniß für das Martyrium des hl. Victor gewonnen.

Es darf nun freilich hier nicht verschwiegen werden, daß die sonst so zuverlässigen Verfasser der Acta Sanctorum die Geschichte des hl. Victor [20] verwirren und durch haltlose Hypothesen die Verwirrung, die sie schufen, zu lösen suchen[22]. Sie behaupten, aus dem Berichte des Gregor von Tours folge, daß Victor und Mallosus in Birten begraben gewesen seien. Da aber die Kapelle den Namen des hl. Mallosus getragen habe, so erhelle daraus, daß Mallosus der vorzüglichere Martyrer gewesen sei. Allmählich habe jedoch die Verehrung des hl. Victor die seines Genossen verdrängt. Die alte Kirche des hl. Mallosus sei zur Victorkirche geworden, und die alte Stadt Birten habe später den Namen Xanten erhalten.

Wer wird es glauben, daß die Kirche des hl. Mallosus in Birten sich in eine Kirche des hl. Victor von Xanten verwandelt habe! Nur die falsche Voraussetzung, daß Birten und Xanten ein und derselbe Ort sei, hat die gelehrten Forscher zu solchen Auseinandersetzungen verleiten können. Birten war immer ungefähr eine halbe Stunde von der Colonie des Trajan entfernt, die Xanten oder Sancten, d. h. ad sanctos martyres, genannt wurde, seitdem die Kirche des hl. Victor und seiner Gesellen ihr Mittelpunkt geworden war und zahllose Pilger herbeizog.

Wäre der hl. Victor in der Kapelle des hl. Mallosus begraben gewesen, dann hätte man ihn in der Absis neben den Reliquien seines Genossen finden müssen. Gregor von Tours sagt nur, der hl. Mallosus sei bei Birten gemartert und in der Birtener Kapelle beigesetzt gewesen. Die Erwähnung des hl. Mallosus und der Stadt Birten mußte bei allen kundigen Lesern die Frage veranlassen: wie steht es mit dem hl. Victor und seiner Kirche in Xanten? Darum fügt Gregor seinen Schlußsatz bei, in dem er auf diese Frage antwortet: „Ich weiß es nicht, denn ich hörte nichts davon.“ Mußte denn Gregor, der so weit von Xanten wohnte, Alles wissen, Alles gehört haben? Ob die Reliquien des hl. Victor vor oder nach denen des hl. Mallosus erhoben wurden, darüber sind keine Nachrichten erhalten. Aber das ist nach dem Gesagten klar, daß vor dem sechsten Jahrhundert in der Gegend von Xanten und Birten die Verehrung beider heiligen Martyrer verbreitet war, und daß Alle glaubten, sie hätten dort für Christus ihr Blut vergossen.

So groß war schon im achten Jahrhundert die Verehrung des hl. Victor von Xanten, daß schon zu Lebzeiten des hl. Bonifatius († 755) vor den Mauern der Stadt Mainz eine Kirche zu Ehren des hl. Victor [21] erbaut war[23]. In ihr betete der heilige Apostel der Deutschen, da beteten seine besten Schüler Lullus und Rabanus zum heiligen Anführer der Thebäer. Willigis baute neben die Kirche ein Kloster, in dem das Leben des hl. Bonifatius geschrieben wurde. Aus Allem folgt also, daß das Martyrium des hl. Victor historisch feststeht, und daß der Martyrer Victor die Fahne Christi bis an die Grenzen der Niederlande trug, als Vorläufer des hl. Bonifatius, des Apostels der Deutschen, der Friesland durch seinen Martyrertod dem Christenthume eroberte.


  1. * Lib. albus p. 36; * Schoen p. 74; Speurath I, § 70, 192; II, § 9; III, S. 48. 51. 53. 55; Jahrb. 3, S. 167; 23, S. 47; 31, S. 110. Tillemont, Baillet, Braun, Weiß und Andere setzen das Martyrium in’s Jahr 286; Baronius erzählt es zum Jahre 297; die Bollandisten schwanken zwischen 286–297. Acta Sanctor. Sept. VI. p. 336; Octob. II. p. 353, n. 92–105. 113; Octob. V. p. 33; Octob. VII. p. 12, n. 9–12.
  2. Stolberg, Geschichte der Religion IX, Nr. 78. Der bedeutendste Gegner ist Jean du Bourdieu (Dubordaeus), Dissertation critique sur le martyre de la legion Thébéenne, Amsterd. 1705. Er ist ausführlich widerlegt durch die Acta Sanctorum Septemb. VI. p. 308–403. 895-926, und durch Jos. de l’Isle, Défense de la vérité de la légion Thébéenne, Nancy 1741. Vgl. Braun, Zur Geschichte der thebäischen Legion, Bonn 1855; Boulacre, Bibliothèque raisonnée 36, und Rochat, Mémoires critiques sur l’histoire ancienne de la Suisse I, p. 557.
  3. Notitia dignitatum, Genevae 1623, p. 212. 180. Acta Sanctorum Sept. VI. p. 331. n. 142 sq.; p. 334 i.
  4. Acta Sanctorum Octob. V. p. 39 m; Braun, Theb. Leg. S. 35.
  5. Die echten Acten gab zuerst Chifflet heraus in seinem Paulinus Nolanus, Divione 1662. Sie finden sich Acta Sanctorum Septemb. VI. p. 342 sq.; Acta Martyrum ed. Ruinart ed. Galura II. p. 157; Geschichte von Wallis von Furter III, S. 7. Die interpolirten Acten bei Surius 22. Sept. und Acta Sanctorum Septemb. VI. p. 345. Der Verfasser der echten Acten ist keineswegs ein vorgeblicher jüngerer Eucherius († 529). Vgl. Ruinart l. c. p. 149; Acta Sanctorum l. c. p. 309. n. 8; p. 336. n. 174; Braun, Theb. Leg., S. 21.
  6. Euseb. Histor. lib. 8. c. 4 bei Migne, Patrol. gr. 20 p. 750; l. 10 c. 8 l. c. p. 898; Vita Constantin. l. 1 c. 54 l. c. p. 967. Vgl. Baronius ad an. 297 n. 4. Es ist zu beachten, daß die Ausgabe von Theiner III, S. 330 einen ganz andern Text gibt, als die alte Ausgabe Mogunt. 1601, II. p. 873.
  7. Sulp. Severus l. 2 c. 33 bei Migne, Patrol. lat. 20 p. 147.
  8. Gregor. Turon. († 594) de gloria martyrium I. c. 76 bei Migne 71. p. 771; Venantius Fortunatus († c. 600) l. 2 car. 15; l. 8 c. 4. Walafrid Strabo († 849), Carmina de S. Thebacis; Acta Sanctor. l. c. p. 895 sq.
  9. Acta Sanctor. Sept. VI. p. 343; vgl. 902, gibt den Text des Eucherius. Die Stelle des Gregor. Turon. Miraculor. lib. I. c. 62 bei Migne 71. p. 761. Der Wortlaut der Martyrologien in Acta Sanctor. Octob. V. p. 18, die Worte des Helinand Acta Sanctor. l. c. p. 40.
  10. Acta Sanctor. Octob. II. p. 341; V. 25. An andern Orten werden zusammen noch circa 25 Martyrer erwähnt, die vielleicht in der Flucht ihre Rettung gesucht hatten, aber von den Verfolgern eingeholt wurden. Rechnet man zu einer Legion 6600 Mann, so bleiben für Agaunum immer noch 6600 – (25 + 660 + 8 + 318 + 330) = 5259, gewiß genug, um den Satz wahr zu lassen: In Agaunum wurde die thebäische Legion niedergemetzelt. Wir bemerken ausdrücklich, daß die angegebenen Zahlen späteren Zeugnissen entstammen und daß der Hinweis auf sie kein Beweis, sondern nur eine Bestätigung des Beweises sein soll.
  11. Die Legenden vom hl. Victor finden sich bei * Pels 2. p. 1 sqq.; * De Sandt p. 1 sqq.; * Schoen fol. 1 sqq.; die des Helinand geben die Bollandisten Octob. V. p. 38 n. 13-16; Binterim gibt in seiner „Erzdiöcese“ I, S. 57. 79. 94 die Worte des Helinand als bisher unbekannte Nachricht aus einem Codex des elften Jahrhunderts. Offenbar irrt er hier in Allem. Vgl. Acta Sanctor. Octob. V. p. 16 n. 14; Otto Frisingens. Chronicon l. 3 c. 45; * Liber albus fol. 36.
  12. Spenrath I, S. 109, § 170; II, § 5, S. 6 Anm.
  13. * Protocolla II. p. 188.
  14. * Heimeric I. fol. 19.
  15. * Schoen p. 90.
  16. Es existiren zwei Redactionen dieses Berichtes; die eine, mit der Jahreszahl 1264, steht in den * Protocolla p. 40 und ist bei Spenrath II, § 5 und § 19 abgedruckt. Dagegen findet sich bei * Schoen p. 86 und * Pels II. p. 91 die richtige Jahreszahl 1284. Die Stelle aus Schoen ist abgedruckt in den Acta Sanctorum Octob. V. p. 25; vgl. l. c. p. 46 n. 16.
  17. * Schoen p. 84. Da die alte Sacristei 1368 abgebrochen wurde, ist die hier erzählte Thatsache wenigstens vor 1368 zu setzen. Da aber Schoen sie vor den Bericht über den Fund von 1284 setzt, ist sie wohl vor diesem letztern Jahre geschehen.
  18. * Schön p. 84. Acta Sanctor. Octob. V. p. 47 n. 17, p. 25 n. 49-52 ist die Stelle des Schoen irrthümlich unter dem Namen des Gelenius citirt. Dieser heilige Leib kam in die Cistercienserabtei Camp. Vgl. Chronicen monasterii Campensis in den Annalen 20, S. 277.
  19. Die Beweisstellen werden weiter unten folgen, wenn der Victorsschrein zu besprechen ist. Die Bollandisten haben fortwährend (vgl. Acta Sanctor. Octob. V. p. 43 sq.) diesen Schrein mit der goldenen Altartafel verwechselt.
  20. Annales Xantenses ad annum 864 bei Pertz, Monumenta II. p. 217; vgl. Spenrath II, § 13.
  21. Gregor. Tur. miraculor. lib. I. c. 63.
  22. Acta Sanctorum Octob. V. p. 29-32; p. 39 t; p. 43 n. 4. Vergleiche Migne, Patrolog. lat. tom. 71. p. 762 h.
  23. Über das Kloster des hl. Victor bei Mainz vgl. Pertz, Monumenta II. p. 331. 357; Acta Sanctor. Juni I. p. 452 n. 2 sq. und p. 476 n. 14. Die Verbrüderungsurkunde des Klosters mit der Xantener Kirche ratione ejusdem patroni aus dem 13. Jahrhundert bei Binterim, Diöcese III, Nr. 97, S. 214. Die Stiftsherren des Victorklosters von Mainz kamen oft zur Victortracht nach Xanten. * Protocolla p. 117; * Heimeric I in seinem Bericht über die Victortracht von 1487.