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Die Verlustliste hatte schon mehrere Namen von Offizieren gebracht, die ich persönlich gekannt hatte. Unter anderen des Sohnes – des einzigen – einer alten Dame, für die ich eine große Verehrung empfand.

An jenem Tage wollte ich die Ärmste aufsuchen. Es war mir ein peinlicher, schwerer Gang. Trösten konnte ich sie doch nicht – höchstens mitweinen. Aber es war eine Liebespflicht – und so machte ich mich denn auf den Weg.

Vor der Wohnung der Frau v. Ullsmann angelangt, zögerte ich lange, ehe ich die Glocke zog. Das letzte Mal, daß ich hierher gekommen, war es zu einer lustigen kleinen Tanzunterhaltung gewesen. Die liebenswürdige alte Hausfrau war damals selber voller Lustigkeit. „Martha,“ hatte sie mir im Laufe des Abends gesagt, „wir sind die beiden beneidenswertesten Frauen Wiens: Du hast den hübschesten Mann und ich den trefflichsten Sohn.“ – Und heute? Da besaß ich wohl noch meinen Mann … Wer weiß? Die Bomben und Granaten flogen ja dort unablässig; die letzte Minute konnte mich zur Witwe gemacht haben … Und ich fing vor der Thür zu weinen an. – Das war die richtige Verfassung für solch traurigen Besuch. Ich klingelte, Niemand kam. Ich klingelte ein zweites Mal. Wieder nichts.

Da streckte jemand aus einer anderen Flurthür den Kopf heraus:

„Sie läuten umsonst, Fräulein – die Wohnung ist leer.“

„Wie? ist Frau v. Ullsmann fortgezogen?“

Empfohlene Zitierweise:
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/050&oldid=- (Version vom 31.7.2018)