Denn Du mußt nicht glauben, daß ich gar keine Angst habe … Es könnte doch Gottes Wille sein, daß einer meiner Lieben den Soldatentod finde – und wenn es auch ein schöner, beneidenswerter Tod ist … auf dem Felde der Ehre … für Kaiser und Vaterland –“
„Du sprichst ja wie der erste beste Armeebefehl.“
„Es wäre doch schrecklich … die arme Mama, wenn Gustav oder Karl etwas zustoßen würde … Reden wir nicht davon! Also, um uns von all dem Schreck zu erholen, gilt es, eine amüsante Badesaison durchmachen … Am liebsten in Karlsbad – dort bin ich einmal als Mädchen gewesen und habe mich göttlich unterhalten.“
„Und ich war in Marienbad … Dort habe ich Arno kennen gelernt … Aber warum sitzen wir so müßig da? Hast Du nicht etwas Leinwand zur Hand, daß wir Charpie zupfen? Ich war heute im „patriotischen Hilfsverein“ und da kam – rate wer?“
Hier wurden wir unterbrochen. Ein Diener brachte einen Brief herein.
„Von Gustav!“ rief Lori freudig, indem sie das Siegel brach.
Nachdem sie ein paar Zeilen gelesen, stieß sie einen Schrei aus; das Blatt entfiel ihren Händen und sie warf sich an meinen Hals.
„Lori – mein armes Herz, was ist’s?“ fragte ich tief ergriffen – „Dein Mann? …“
„O Gott, o Gott,“ stöhnte sie. „Lies selber …“
Ich hob das Blatt vom Boden auf und begann zu lesen. Ich kann den Wortlaut genau wiedergeben,
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/060&oldid=- (Version vom 31.7.2018)