Mitleids darin! Ich habe Tillings Worte meinem Vater nicht wiederholt, denn ich empfand instinktiv, daß ihm dieselben unsoldatenmäßig erschienen wären und seine Achtung vor dem Sprecher beeinträchtigt hätten, und das hätte mich verdrossen; denn gerade der vielleicht unsoldatische, aber sicherlich menschliche Abscheu, mit welchem er das schreckliche Ende seiner Kampfgenossen geschaut und erzählt, war mir ins Herz gedrungen.
Wie gern hätte ich mit Tilling über dieses Thema noch weiter gesprochen – aber er schien meine Bekanntschaft nicht pflegen zu wollen. Seit seinem Besuche waren vierzehn Tage vergangen und weder hatte er den Besuch wiederholt, noch war ich ihm in der Gesellschaft begegnet. Nur zwei- oder dreimal auf der Ringstraße und einmal im Burgtheater war ich seiner ansichtig geworden: er grüßte ehrerbietig, ich dankte freundlich – weiter nichts. Weiter nichts? … Warum klopfte mir bei diesen Gelegenheiten das Herz, warum konnte ich dann stundenlang die Gebärde seines Grußes nicht aus dem Sinn bringen? …
„Liebes Kind, ich habe eine Bitte an Dich.“ Mit diesen Worten trat eines Vormittags mein Vater bei mir ein. Er hielt ein papierumwickeltes Paket in der Hand, „hier bringe ich Dir etwas mit,“ fügte er hinzu, das Ding auf einen Tisch legend.
„Eine Bitte und ein Geschenk zugleich?“ lachte ich. „Das ist ja Bestechung.“
„So höre mein Anliegen, ehe Du mein Geschenk
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/095&oldid=- (Version vom 31.7.2018)