die Tiefen des Erdballs und die Höhen der Himmelsräume; da drangen wir in die Geheimnisse der mikroskopisch unendlichen Kleinheiten und der teleskopisch unendlichen Fernen, und je größer die Welt vor unseren Blicken sich entfaltete, in desto winzigere Dimensionen schrumpfte der Olmützer Interessenkreis ein. Unsere Lektüre beschränkte sich nicht auf Naturkunde allein, sondern umfaßte noch viele andere Zweige der Forschung und des Gedankens. So nahm ich unter anderem zum drittenmal meinen geliebten Buckle vor, um Friedrich mit diesem Autor bekannt zu machen, den er dann ebensosehr bewunderte, wie ich; dabei vernachlässigten wir auch die Dichter und Romanschriftsteller nicht, und so gestalteten sich unsere gemeinschaftlichen Leseabende zu wahren Festen des Geistes – während unsere übrige Existenz eigentlich ein ununterbrochenes Fest des Herzens war. Täglich gewannen wir uns lieber; was die Leidenschaft an Feuer einbüßte, das gewann die Zuneigung an Innigkeit, die Achtung an Festigkeit. Das Verhältnis zwischen Friedrich und Rudolf war der Gegenstand meines Entzückens. Die beiden waren die besten Kameraden der Welt, und sie miteinander spielen zu sehen, war köstlich. Friedrich war dabei von den zweien beinah der kindischere. Natürlich mischte ich mich sofort auch in die Partie, und was da für Dummheiten getrieben und geredet wurden, das mögen uns die Weisen und Gelehrten verzeihen, deren Werke wir lasen – wenn Rudolf zu Bett gebracht war. Zwar behauptete Friedrich, daß er von Hause aus kein besonderer
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/181&oldid=- (Version vom 31.7.2018)