… Ja, wenn ich gewußt hätte, daß ich in die Nähe Friedrichs käme, daß ich bei der Hand wäre, falls er verwundet würde, da hätte ich nicht gezögert; aber für Andere? Nein, da gebrach es mir an Kraft, da fehlte der Opfermut. Sterben sehen, röcheln hören – hundert Hilfeflehenden helfen wollen und nicht helfen können, – den Schmerz, den Ekel, den Jammer auf mich laden, ohne dabei Friedrich beizustehen – im Gegenteil, dadurch die Chancen, daß wir uns wiederfinden, vermindern, denn die Pflegenden begeben sich auch in vielfache Todesgefahr … nein, ich that es nicht. Zudem belehrte mich mein Vater, daß eine Privatperson, wie ich, zur Krankenpflege in den Feldhospitälern gar nicht zugelassen würde – daß dieses Amt nur von Sanitätssoldaten oder höchstens von barmherzigen Schwestern ausgeübt werden dürfe.
„Charpie zupfen,“ sagte er, „und Verbandzeug für die patriotischen Hilfsvereine herrichten, das ist das einzige, was ihr für die Verwundeten leisten könnt, und das sollen denn meine Töchter auch fleißig thun – dazu geb’ ich meinen Segen.“
Und diese Beschäftigung war es nun auch, welcher meine Schwestern und ich viele Stunden des Tages widmeten. Rosa und Lilli verrichteten ihre Arbeit mit sanft gerührten und dabei fast freudigen Mienen. Wenn die feinen Fädchen sich unter unseren Fingern zu weichen Massen häuften, wenn wir die Leinwandstreifen schön ordentlich übereinander gefaltet, so brachte dies den beiden Mädchen etwas von den Empfindungen des barmherzigen Pflegeamtes: es war ihnen, als linderten
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/013&oldid=- (Version vom 31.7.2018)