Amputierte umherlagen, teils sterbend, teils schon gestorben, Leichen zwischen Verscheidenden und solchen, welche ihr Ende ersehnten. Viele nur in blutigen Hemden, daß man nicht einmal wissen konnte, welches Landes Kinder sie waren. Alle die, welche noch Spuren des Lebens in sich trugen, schreiend nach Wasser und Brot, sich krümmend unter den Schmerzen ihrer Wunden, und um den Tod gleichwie um eine Wohlthat flehend.“
„Roßnitz,“ so schreibt Doktor Brauer in seinen Briefen, „Roßnitz, dieser Ort, dessen Bild bis in meine Sterbestunde vor meinem Gedächtnisse stehen wird, Roßnitz, wohin ich am 6. Tage nach der mörderischen Schlacht von den Johannitern geschickt wurde und wo das größte Elend, welches sich menschliche Einbildungskraft vorzustellen vermag, noch an diesem Tage herrschte. Ich fand daselbst unsern R. mit 650 Verwundeten, welche in elenden Scheunen und Ställen, ohne Verpflegung, mitten unter Toten und Halbtoten, teilweise seit Tagen in ihrem eigenen Kote lagen. Hier war es, wo ich nach Errichtung des Grabhügels des gefallenen Oberstlieutenants v. F. so von Schmerz überwältigt wurde, daß ich eine Stunde lang die heißesten Thränen vergoß und mich trotz des Aufwandes meiner ganzen moralischen Kraft kaum zu fassen vermochte. Obgleich ich als Arzt gewohnt bin, menschliches Elend in allerlei Gestalt zu erblicken und in der Ausübung meines Berufes es lernte den Jammer der gequälten menschlichen Natur zu ertragen, so entquollen doch in der That hier meinen Augen
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/095&oldid=- (Version vom 31.7.2018)