Frau Simon es gethan – dazu hatten meine Kräfte nicht gereicht. Aber die Barmherzigkeit, die aus Mitgefühl besteht, die habe ich den armen Mitgeschöpfen doch angedeihen lassen und die durfte ich nicht, in egoistischem Vollvergnügen, ihnen wieder entziehen – ich durfte nicht vergessen.
Aber wenn auch nicht frohlocken und danken – lieben, den Wiedergefundenen hundertfach zärtlich in mein Herz schließen: das durfte ich wohl …
„O Friedrich, Friedrich!“ wiederholte ich unter Thränen und Liebkosungen, „habe ich Dich wieder!“
„Und Du wolltest mich suchen und pflegen? Wie heldenhaft und wie thöricht, Martha!“
„Thöricht, ja – das sehe ich ein. Die rufende Stimme, die mich fortzog, war Einbildung, war Aberglaube, denn Du riefst mich nicht. Aber heldenhaft? Nein. Wenn Du wüßtest, wie feig ich mich dem Elend gegenüber erwies! Nur Dich – nur wenn Du dort gelegen – hätte ich pflegen können. Ich habe Entsetzliches gesehen, Friedrich, was ich nie vergessen werde. O unsere schöne Welt, wie kann man sie nur so verderben, Friedrich? Eine Welt, in der zwei Wesen einander so lieben können, wie ich und Du – in der solches Feuerglück lodern kann, wie unser Einssein – wie mag die nur so thöricht sein, die Flammen des tod- und jammerbringenden Hasses zu schüren?“
„Ich habe auch etwas Entsetzliches gesehen, Martha – etwas, das ich nie vergessen kann. Denke Dir – auf mich losstürzend, mit gehobener Klinge, – es war
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/107&oldid=- (Version vom 31.7.2018)