– diesen mittelbar. Und in dem Augenblick, als wir von der That erfuhren, war in unserer Mitte ein neues Unglück ausgebrochen, das unsere ganze Herzensangst in Anspruch nahm: Otto – meines armen Vaters angebeteter, einziger Sohn – war von dem Würgeengel gepackt.
Die ganze Nacht und den folgenden Tag dauerte sein Leiden – unter wechselndem Hoffen und Verzagen – um sieben Uhr Abends war alles vorbei.
Mein Vater warf sich auf die Leiche mit einem so markerschütternden Schrei, daß es das ganze Haus durchdröhnte. Wir hatten Mühe, ihn von dem Toten fortzureißen. Ach, und dieser Schmerzensjammer, der jetzt folgte: heulende, brüllende, röchelnde Laute der Verzweiflung waren es, die der alte Mann stunden- und stundenlang ausstieß … Sein Sohn, sein Stolz, sein Otto, sein alles!
Auf diese Ausbrüche folgte plötzlich starre, stumme Apathie. Dem Begräbnis seines Liebling hatte er nicht beiwohnen können. Er lag auf einem Sopha regungslos und – beinahe schien es – bewußtlos. Bresser ordnete an, daß er entkleidet und zu Bett gebracht werde.
Nach einer Stunde schien er sich zu beleben. Tante Marie, Friedrich und ich waren an seiner Seite. Er schaute eine Zeit lang mit fragendem Blick herum, dann setzte er sich auf und versuchte zu sprechen. Doch brachte er kein Wort hervor und rang mit schmerzverzerrtem Gesicht nach Atem. Da
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/164&oldid=- (Version vom 31.7.2018)