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Eugen Schneider: David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtschreibung. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF 20 (1911), S. 289–309

Kanzel verkündigt werden sollte. Die Bitte wurde ihm abgeschlagen. Denn es sei unnötig, daß jedermann wisse, warum er gefangengelegen sei. Da ihm aber Historienschreiben und Advozieren niedergelegt sei und er sich nicht mehr erhalten könne, sollen die Kirchenräte angewiesen werden, ihn auf zutragende Gelegenheit zu befördern, da er allein zum deutschen Schulmeister zu gebrauchen sei, der daneben auch geringe Schreiberei versehen könnte. Diese Verbindung von Lehramt und Gemeindedienst war ja damals gewöhnlich.

Auch seine Bücher erhielt Wolleber in Stuttgart ausgehändigt. Seine geschriebenen Historienbücher aber wurden in der herzoglichen Registratur zurückbehalten; später sind sie, wie wir sehen werden, in die Landesbibliothek und das Staatsarchiv gekommen, die für so gefährlich gehaltene Chorographie in die Tübinger Universitätsbibliothek. Wiederholte Vorstellungen um Entschädigung waren ohne Erfolg: da er unerlaubt das Historienschreiben für sich selbst vorgenommen, auch Sachen in die Präfation eingeführt, die ihm nicht gebührt, so seien ihm neben anderen Strafen auch solche Bücher genommen worden. Er solle damit zufrieden sein, daß die Kirchenräte ihn mit Diensten bedenken werden, – so lautete der letzte Bescheid.

Fragen wir nach den Gründen, aus denen Männer wie Gadner und Gabelkover der Tätigkeit Wollebers Schwierigkeiten machten, so springt aus der ganzen Verhandlung zunächst der Ärger der gelehrten und hochvermögenden herzoglichen Berater darüber in die Augen, daß ein ungebildeter, dilettantischer Winkeladvokat in ein Gebiet eingriff, mit dem sie sich ernsthaft beschäftigten. Und je größer ihre Gewissenhaftigkeit als Geschichtschreiber war, desto mehr waren sie geneigt, einen Menschen zu verurteilen, der, ohne Vorkenntnisse, seine eigentliche Aufgabe nicht begriff. Aber das mußten sie bei der Prüfung von Wollebers Handschriften erkennen, daß diese, wenn auch keinen selbständigen Wert, so doch die Bedeutung fleißiger Sammelarbeit hatten. Der tiefere Grund des ablehnenden Verhaltens war die Auffassung von der Bedeutung der Landesgeschichte. Für Gadner und Gabelkover bot die Landesgeschichte Tatsachen und Lehren, die für die Regierenden, nicht aber für das gemeine Volk paßten. Von den Urzeiten und von den fremden Völkern mochte man Kunde verbreiten, nicht aber vom eigenen Lande, dessen Zusammensetzung, Entwicklung, Verfassung, Hilfskräfte als Geheimnis behandelt wurden, eine Auffassung, die ihre Nachwirkung, namentlich mit Beziehung auf die Geschichtsquellen, bis auf neuere Zeiten ausgeübt hat. So hat auch einer der gelehrtesten Familiengeschichtsforscher der damaligen Zeit, Gotfried von Rammingen, gemeint, solche Dinge gehören nicht vor das

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Eugen Schneider: David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtschreibung. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF 20 (1911), S. 289–309. Kohlhammer, Stuttgart 1911, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:David_Wolleber_-_ein_Bild_aus_den_Anf%C3%A4ngen_der_w%C3%BCrttembergischen_Geschichtschreibung.djvu/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)