letzten Jahren erlitten, schuld zu sein. Sie umgibt sich mehr und mehr mit den reaktionären Elementen und gibt ihnen zu verstehen, daß sie auf ihre Hilfe gerade gegen die Fremden zählt. Die Kaiserin ist ja eine weit überschätzte Persönlichkeit, die von den realen Machtverhältnissen der Welt keine Ahnung hat – aber sie ist, wie viele sogenannte große Leute, eine Meisterin in der Wahrnehmung ihrer eigenen, augenblicklichen Interessen und fühlt immer rechtzeitig, welche Partei in ihrem Lande gerade die stärkste ist, um sich auf diese zu stützen. Jahrelang stand sie an der Spitze der chinesischen Fortschrittspartei, was allerdings immer eine sehr milde Dosis Fortschritt bedeutet, zur Zeit der chinesischen Niederlagen durch die Japaner hat sie ihren Rückhalt an den fremden Mächten gesucht, und als sie die wachsende Erbitterung im Lande gerade gegen die Fremden wahrgenommen, ist sie zu den Reaktionären übergeschwenkt. Heute wissen alle fremdenfeindlichen Mandarine und Geheimbündler, daß die Kaiserin nur auf ihre Erfolge wartet, um sich offen zu ihnen zu bekennen.«
»Aber es ist doch nicht denkbar, daß man dem ruhig zusehen und nur abwarten wird, was weiter geschieht?«
»Hoffentlich gelingt es mir in Europa von der nahenden Gefahr zu überzeugen – in Peking wollte
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/117&oldid=- (Version vom 31.7.2018)