kam, suchte Dich mein Blick nicht lange, denn wo der Kreis am dichtesten war, da warst Du – „die schöne Montjoie“ – „die süße Delphine“ – „die Rose der Vogesen“. Wie die anderen trat ich heran und grüßte Dich. Und alles wich mit verständnisinnigem Ausdruck zur Seite, – etwa wie zu Zeiten Ludwigs XV. die Damen des Hofs, wenn die maitresse en titre hineingerauscht kam. Ich verbeugte mich stumm und ging davon, ohne mich von Deinen schönen, tränenfeuchten Augen rühren zu lassen. Ich beneidete den Luftschiffer, der in der Lage war, auf Nimmer wiedersehn in den Wolken zu verschwinden.
Laß mich Dich von nun an nur in Deinem stillen Zimmer sehen; morgens, ehe die Nichtstuer ihren Tageslauf mit Besuchen beginnen, mittags, wenn die von tausend Klatschgeschichten Erschöpften sich zurückziehen, und nachts, Du geliebteste Frau, wenn ein gütiges Dunkel allen neugierigen Blicken den Zugang verwehrt.
Teuerste Marquise Mein erster Weg nach meiner Rückkehr aus London war nicht zum Grafen Vaudreuil, sondern zu Ihnen. Ermessen Sie daraus, was ich für Sie empfinde! Und an Ihrer Türe erfahre ich, daß Sie krank sind –, grade jetzt!
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/350&oldid=- (Version vom 31.7.2018)