Ein Freund jenes jungen Adeligen suchte sie eines Tages in ihrem Studentenzimmer auf und bat sie, sich doch zu entscheiden, ob sie nicht die Frau seines Freundes werden wollte. Als sie „nein“ sagte, schlug der Abgesandte, der ein ernster und zielbewußter Mensch war, in ehrlichem Zorn mit der Hand auf den Tisch und fragte Claudia, was sie veranlasse, die Hand eines ehrbaren jungen Mannes mit einem Nein abzuweisen.
Die Gefragte sagte ganz einfach, daß sie bereits gewählt habe, und nannte den Namen Dagons.
„Dann prophezeie ich Ihnen, daß sie niemals glücklich werden,“ entfuhr es dem heftig Erregten, der seinen Freund verdrängt sah von einem, der ihm Widerwillen einflößte. „Aber sagen Sie mir, ehe ich gehe,“ fügte er hinzu, „was haben Sie gegen meinen Freund einzuwenden?“
„Daß er adelig ist,“ antwortete ihm frei und stolz die junge Studentin, „ist der Grund, der immer bleiben würde, wenn ich nicht bereits einen andern vor ihm gewählt hätte. Ich will nicht, daß man in seiner Familie auf mich als auf eine Bürgerliche herabschaut.“
Claudia prahlte niemals mit ihren Anbetern.
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/155&oldid=- (Version vom 31.7.2018)