da verschwanden die Federkörper. Da standen nur in der Luft über den abgestorbenen Baumästen paarweise ungeheuerliche schwarze Augen. Augen, die so groß und rund in ihrer Schwärze starrten, als müßten sie alles und nichts sehen; als könnten sie die Tiefe des ganzen Weltalls umfassen, alle Schmerzen und alle Trostlosigkeiten der Abgründe des Lebens.
Während sich alle meine Freunde beim Näherkommen über die Federn, die Haltung, die Kopfwendungen der Eulen ereifert hatten, wurden sie jetzt stumm. Und nur Claudia, die vorher stumm gewesen war, als wir die Eulen zuerst erblickten, wurde jetzt vor den Eulenaugen laut und begeistert.
„Haben diese Vögel nicht die schönsten Augen der Welt? Da sprechen die Menschen immer von glotzenden Eulenaugen, und ich finde, es sind die feierlichsten, ausdrucksvollsten, geheimnisreichsten und schicksalsschwersten Blicke, mit denen nur je ein lebendes Wesen auf die Welt herabsehen kann. Solche Augen möchte ich haben,“ setzte Claudia hinzu. „Wie ich diese Tiere um ihre Augen beneide! Auf was warten sie nur, diese Eulenaugen?“ –
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/171&oldid=- (Version vom 31.7.2018)