als der Alte sagte: „Was haben Sie mit dem Giftfläschchen getan?“ log ich mitten im Sonnenschein, zwischen den gütig kauenden Kühen, umgeben vom himmelblauen Meer, log ich mich aus dem Paradies hinaus. „Ich habe es fortgeworfen,“ sagte ich, damit es der Alte nicht zurückfordern konnte. –
Was wollte ich mit dem Fläschchen tun? Ich wollte es doch los sein! Warum gab ich es ihm nicht? Warum warf ich es ihm nicht vor die Füße? Ich fühlte, wie mich das viereckige Fläschchen in meinem weißen Flanellsommeranzug unbequem drückte, und ich fuhr seitdem ängstlich, oft mitten in den ruhigsten Stunden, plötzlich mit der Hand nach meiner Westentasche. Ich wich dem Kapitän von diesem Tage an aus, damit er nicht nach dem Fläschchen fragen sollte. –
Mitten in dem herrlichen Gesicht dieses Sommers 1910, mitten in dem herrlichen Gesicht dieser Insel am Ende der Welt, die nie eine Schuld, nie ein Verbrechen, nie eine Niedertracht kannte, trug ich nun diesen Ekelfleck mit mir in der Westentasche herum, diesen Giftfund, dieses Giftfläschchen. Täglich wünschte ich das Gift zu behalten und täglich, es los zu werden. –
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/29&oldid=- (Version vom 31.7.2018)