Ein nordischer Sommer ist schnell verflogen, ist schnell abgekühlt. Schon ein paar Wochen nach Johanni, wenn die Nächte wieder die Dunkelheit wie eine schwarze Maske über das Land legen und die paar Wiesenflecken abgemäht sind, die es da gibt, und die paar Kornstrecken, und Ende Juli schon der Stillstand eines frühen Herbstes die Bäume aussehen läßt, als wären sie aus verblichenem grünem Papier angefertigt, dann werden all die Kühe in die Ställe zu den Hütten heimgetrieben, und eine Totenstille, Langweile und Leere sitzt bald an Stelle des Saftes und der Frische im Steingesicht dieser Insel. Die kleinen Hütten ertrinken abends im Nebel. An Stelle der Kühe laufen weiße Möwenscharen auf den abgemähten Wiesen herum, Wiesen, die nur jährlich einmal Gras geben, dann nicht mehr wachsen und sich mit den weißen Möwen bedecken, die des Morgens vor Sonnenaufgang anzusehen sind wie der Vorschein frühen Schnees.
Oft habe ich des Morgens vor Sonnenaufgang, da ich Bayer bin und in dem katholischen Lande an Morgenläuten, Mittag- und Abendläuten gewöhnt bin, hinausgehorcht. Aber nichts rührte sich. Es gab auf der Insel
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/30&oldid=- (Version vom 31.7.2018)