Am nächsten Tag saß ich gegen Mittag auf dem Steinbalkon, der gegen den Garten hin vor dem Eßzimmer lag, unter dem sich die Küchenhalle befand. Ich schrieb Briefe und saß ohne Hut, und die Mittagssonne brannte auf meinem Kopf.
Als ich mich später in dem Speisesaal, dessen Decke mit bunten mittelalterlichen Malereien, Wappen und Blumen bemalt war, zu Tisch setzte, sah ich vor der Glastüre, die auf den Korridor führte, eine kleine ältere Dame stehen, die, während sie einen Schleier um ihren Kopf band, zwischen den Vorhängen an der Glasscheibe hindurchblinzelte. Dann trat sie ein, und der Wirt folgte ihr und stellte sie als die russische Dame vor.
Die Generalin hatte kleine, lebhafte, etwas belustigt zwinkernde Augen und machte viele kleine Bewegungen, die ihr etwas rührend Kindliches gaben. Als sie sich vor ihren Teller gesetzt hatte, begann sie sogleich mit mir eine lebhafte Unterhaltung und erzählte vom Comosee, von dem sie eben kam, und vom italienischen Dichter Fogazzaro, den sie dort in seiner Villa besucht hatte.
Sie forderte blindlings Interesse von mir, weil sie sich für Fogazzaro und den Comosee
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/300&oldid=- (Version vom 31.7.2018)