in den ersten Tagen des August sahen die Frau, die ich liebe, und der ich noch nichts von dem Giftfläschchen in meiner Westentasche erzählt hatte, und ich, wir beide sahen mit Frösteln das schnelle Müdewerden der nordischen Sommersonne. Und eine unbändige Sehnsucht nach neuer Sonne wachte jeden Morgen mit uns auf und war jeden Abend unser letztes Gespräch.
Frauen, die sich sehr geliebt fühlen, fassen immer resoluteste Entschlüsse. So sagte diese Frau eines Tages:
„Wir wollen nach Italien. Dort ist es noch Hochsommer. Es ist viel zu spät für die lappländische Reise. Wir würden nur den schönen Eindruck von Koster verwischen. Schweden ist zu schön, als daß man es in einem Sommer flüchtig durchreisen kann. Man muß viele Sommer darauf verwenden, um alle seine Schönheiten zu erreisen. Damit wir den Norden recht verstehen, sollen wir jetzt als Kontrast den Süden aufsuchen.“
Ich deutete schwerfällig und gewissenhaft wie jeder Mann auf den großen Koffer, in welchem die Wintersachen für Lappland lagen, auf Pelz und Wolle. „Sollen die ganz umsonst hieher gewandert sein?“ fragte ich.
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/32&oldid=- (Version vom 31.7.2018)