leben,“ sagte der alte Mann mit den blassen Wangen, mit dem blassen Kinn, mit der blassen Nase und mit den blassen Augen, die mir plötzlich unheimlich lebensmüde aus dem dunkelgrünen schwülen Palmengarten entgegenleuchteten.
„Lieber Dichter, habt Ihr nicht dieses Gift, wie Ihr erzählet, von jener Barbareninsel gebracht?“ tönte es ironisch von seinen blassen Lippen.
„Ja,“ sagte ich eifrig, meine Insel Koster verteidigend. „Das Gift kam von der Welt dorthin. Aber jetzt ist kein Gifttropfen mehr dort. Ich habe alles Gift Eurer Heiligkeit gebracht, direkt nach einer Sechzigstundenfahrt, und das Giftfläschchen gleich übergeben, damit Eure Heiligkeit es aus der Welt schaffen.“
„Mein Lieber,“ sagte die weiße Figur vor mir, die da unter dem blauen römischen Himmel im Garten zugleich mit dem Kardinal von dem Stühlchen aufstand, und deren weiße Lippen tief Atem holten, als wollten sie mir eine tiefe Wahrheit sagen, und ich dachte schon vorschnell:
Seine Heiligkeit wird sagen: nichts kann das Gift der Welt aus der Welt schaffen,
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/39&oldid=- (Version vom 31.7.2018)