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Seite:De Orchideen Meyrink.djvu/038

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„Jeder sieht sie, und doch kennt sie keiner, – wenn sie tagüber bei den Kirchentüren hocken.“ –

Wenn der Priester die Messe liest, schlafen sie in den Flüsterecken.

„Hat sie mein Hiersein im Beten gestört?“ fragt der Einsame. –

Der Alte tritt an seine linke Seite: „Wessen Füße im lebendigen Wasser stehen, der ist selber das Gebet! Wußte ich doch, daß heute einer kommen würde, der sehen und hören kann!“ –

Gelbe Lichtreflexe hüpfen über die Steine, wie Irrlichter.

„Sehen Sie die Goldadern, die sich hier unter den Quadern hinziehen?“ und sein Gesicht flackert.

Der Einsame schüttelt den Kopf: „Mein Blick dringt nicht so tief. – Oder meinen Sie es anders?“

Der Alte nimmt ihn an der Hand und führt ihn zum Altar. – Das Bild des Gekreuzigten liegt stumm.

Schatten bewegen sich leise in den dunkeln Seitenlogen hinter gebrauchten kunstvollen Gittern: – Schemen alter Stiftfräulein aus vergessenen Zeiten, die nie mehr wiederkehren – fremdartig – entsagungsvoll wie Weihrauchduft.

Es rauschen ihre schwarzen seidenen Kleider.

Der Greis deutet zu Boden: „Hier tritt es fast zutage, einen Fuß tief unter den Fliesen, – lauteres Gold, ein breiter leuchtender Streifen. Die Adern ziehen sich über den alten Platz bis weit unter die Häuser. – Wunderbar, daß die Menschen nicht längst schon darauf gestoßen sind, als sie das Pflaster gelegt haben. – Ich allein weiß es seit vielen Jahren und habe es niemandem gesagt. – Bis heute. – Keiner hatte ein reines Herz“ –

Ein Geräusch! –

In dem gläsernen Reliquienschrein ist das silberne Herz herabgefallen, das in der Knochenhand des heiligen

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Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/038&oldid=- (Version vom 31.7.2018)