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Thomas lag. Der Alte hört es nicht. Er ist entrückt. Seine Augen schauen ekstatisch ins Weite mit starrem, geradem Blick: „Die jetzt kommen, sollen nicht mehr betteln gehen. Es soll ein Tempel sein aus schimmerndem Gold. – Der Fährmann holt über – zum letzten Mal.“

Der Fremde lauscht den prophetischen Worten, die flüsternd in seine Seele dringen, wie feiner, erstickender Staub aus dem heiligen Moder versunkener Jahrtausende.

Hier unter seinen Füßen! Ein blinkendes Szepter gefesselter, schlafender Macht. Es steigt ihm brennend in die Augen: Muß denn auf dem Golde der Fluch sein, läßt er sich nicht bannen durch Menschenliebe und Mitleid? – Wieviel Tausende verhungern! – –

Vom Glockenturme tönt die siebente Stunde. Die Luft vibriert.

Die Gedanken des Einsamen fliegen mit dem Schall hinaus in eine Welt voll üppiger Kunst, voll Pracht und Herrlichkeit.

Ihn schaudert. Er sieht den Alten an. – Wie verändert sind die Räume. – Es hallt der Schritt. Die Ecken der Betstühle sind abgestoßen, abgeschürft der Fuß der steinernen Pfeiler. Die weißgestrichenen Statuen der Päpste bedeckt mit Staub.

„Haben Sie das … das Metall mit körperlichen Augen gesehen – in den Händen gehalten?“

Der Alte nickt. „Im Klostergarten draußen, beim Muttergottesbild unter blühenden Lilien kann man es greifen.“ – – – Er zieht eine blaue Kapsel hervor: „Hier.“ Und gibt dem Einsamen ein zackiges Ding.

Die beiden Männer schweigen. – –

– – – In die Kirche dringt weit her der Lärm des Lebens: das Volk kehrt heim von den lustigen Wiesen – morgen ist Arbeitstag. –

Die Frauen tragen müde Kinder auf dem Arm.

Der Einsame hat den Gegenstand genommen und

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Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/039&oldid=- (Version vom 31.7.2018)