gezogen und sah nu ganz starr und erschrocken ins Lichte. – – Dann klappte er finster die Luke zu, – denn von drüben her aus Krögers Destillation tönte das trunkene Gegröhle der wüsten Gesellen beim Bechersturz, – und setzte sich in Urahns geschnitzten Stuhl. – – – – – War auch so ’n altes Stück! – Mit steife Lehne, und da, wo die Farbe weggetan war, kuckte nu das schöne Schnitzwerk durch. –
Clawes Uhl anno domini 1675 stand darüber.
Ja, die Uhlen waren ein erbgesessen Geschlecht, knorrig und hahnebüchen! –
Wie Großmutter Jörn zum Manne nahm, – Jörns Großvater hieß auch Jörn – da wollte sie lange nicht Ja und Amen sagen. –
Sie war eine stolze Deern gewesen, und verschlossen war sie – verschlossen, – hatte Kreyenblut in den Adern; und noch als sie eine Göhre war und zu Schule ging zu Pastor Lorenzen, sprach sie selten ein Wort und spielte nie mit den andern Göhren. –
Hatte klein harte Fäuste und rotes Haar, – die lüttje Deern. –
„Ich tanze nich mit dich,“ hatte sie zu ihrem Bräutigam gesagt, „im Tanze liegt etwas Sündhaftes in,“ und hatte sich wech von ihm gebogen.
Dann hatte sie noch ein „Rundstück - warm“ mit Tunke gegessen und war allein hinausgefahren mit ihren Pferden über die dämmerfrische Heide. –
„Weshalb ich ihn nur nicht liebe,“ wiederholte sie sich immer wieder beim Fahren.
Dann hielt sie plötzlich an. – Ein Junge badete dort, nackend, ganz nackend, – sie sah sich ihn lange an, und er bemerkte es nicht. – Da fühlte sie, wie etwas in ihre keusche Seele drang: – – daß alles in der Natur zur Liebe geschaffen war. –
Jetzt wußte sie es, sie hatte es deutlich gesehen. – Jetzt wußte sie auch, daß sie Jörn liebe, aus ganzer Seele liebe. –
Keusch natürlich. –
Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/050&oldid=- (Version vom 31.7.2018)