müssen! Und der Fakir hatte unrecht mit seinen hoffnungslosen Worten: es gab wohl ein Vergeben, eine Erlösung durch die Liebe!
Ein heißer Wettstreit ward es zwischen des Alten Sucht, zu strafen, und ihrem Sehnen nach Versöhnung. Gold, mehr Gold bot sie.
Und endlich hatte sie gesiegt.
Hastig und scheu wie einer, der sich schämt, altgehegten Glauben zu verleugnen, gab ihr der Gaukler die Trommel hin, strich das Geld ein, lud sich die Körbe mit den Schlangen auf und schlich davon, alt und verfallen, ohne ein Wort des Abschieds.
Der Fakir blickte ihm sinnend nach: »So sind die Menschen,« murmelte er vor sich hin, »statt sich willig ganz zu lösen, tauschen sie noch im hohen Alter eine Gier für die andere ein.« Dann verließ auch er schweigend den Garten.
Nun war die einsame Frau allein und hielt die seltsame Trommel in Händen. Ihre Finger strichen leise, beinahe zaghaft liebkosend über die vereinten, gelblich glänzenden Schädel. Und dabei gedachte sie der Mutterhände, die einst, vor langen, langen Jahren, die beiden auch so zärtlich gestreichelt haben mochten, als sie noch klein und zart, von seidigem Flaum bedeckt und so weich gewesen, daß die geöffnete Spalte an ihnen zu fühlen
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/041&oldid=- (Version vom 31.7.2018)