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Sternen war auch seine Mutter aus dem Himmel auf den Platz herabgestiegen; obschon er sie im Leben nie gesehen, erkannte er sie doch gleich inmitten aller anderen, denn sie glich ja dem Madonnenbild im Hofe; sie hob ihn auf und sagte: »Ich hab’ schon lang auf dich gewartet, Paquito,« und drückte ihn dabei so fest an sich, daß er ihr Herz schlagen hörte, aber jedesmal, wenn er so weit in dem Traume war, erwachte er und war wieder der verlassene kleine Krüppel in dem finstern Kammerwinkel, und was er für die Herzschläge seiner Mutter gehalten, das war das ferne Läuten einer der vielen Glocken der Stadt, die dröhnend die dahin eilenden Stunden künden, in denen die Freiheit doch nimmer kommt.

Immer häufiger ward während der nächsten Wochen vom herannahenden Feste in dem Hofe gesprochen. Und nicht nur in dem Hofe, durch alle Straßen der Stadt, durch das ganze Land ging das Reden von dem großen Tage, der sich bald wieder jähren sollte. – Es war, als erwarte ein jeder etwas Gutes davon. Und es waren nun doch schon nahezu hundert Jahre her, daß Padre Hidalgos Glocke die Freiheit eingeläutet hatte, und der Menschen Los habe sich in all der Zeit noch immer nicht sonderlich verändert! Es gab nach wie vor viele Arme und einige wenige Reiche, solche, die der Hunger zur Arbeit zwang, und andere, die stets vom Nichtstun

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Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/067&oldid=- (Version vom 31.7.2018)