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Er sprach es mit geängsteten Augen, als sähe er Unheil in greifbarer Gestalt nahen, und als suche er Hilfe bei der Königin. Doch sie erwiderte unsanft: »Von den Schwächlingen im Rate hast du dich überreden lassen und willst bei der ersten Gefahr aufgeben, was zu erreichen doch unser heißester Wunsch war. Die ganze Welt schaut auf unser Wagnis, und du wolltest weichen?«

»Ach, nicht heute im Rate erst sind mir diese Gedanken gekommen,« sprach der König, »nein, schon längst in all den langsam schleichenden Stunden der heißen schlaflosen Nächte habe ich deutlich erkannt, daß wir nimmer hierher hätten kommen sollen. Eine Täuschung war es, ein Wahn! Schau hinab hier in die Tiefe,« fuhr er fort und wies auf die jäh abstürzenden Felsenwände, »wie dieser Garten über der Schlucht hängt, so schweben wir über einem Abgrund, den uns Lügen mühsam verbergen. Oft schrecke ich im Schlummer auf, weil mich Angst würgt und erstickt. Oh, laß uns fort, ehe wir zerschmettert versinken.«

»Auch ich«, sagte die Königin, »kenne die langsam schleichenden Stunden der heißen, schlaflosen Nächte, aber schämen würde ich mich, ließe sich mein Wille durch ihre Schreckbilder beugen und lähmen.«

»Ja, du!« seufzte der König bitter, »du bist anders als andere geartet. Dein Wesen ist so stark, daß diese

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Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/093&oldid=- (Version vom 31.7.2018)