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lockend und verheißend, ein Bild auf: er sah ein weißes Landhaus am Fuße des Gebirges droben auf der Hochebene, drin wohnte eine Frau, die schönste der Insel, die wonniglich warme, die Frau, die seiner stets harrte mit zärtlich geöffneten Armen und wartenden Lippen, die Frau, die weiche, einschläfernde Worte kannte. - An sie wieder denken zu dürfen, empfand der König schon als Trost, und die Königin selbst hatte es ja nicht anders gewollt!

Er erhob sich: »So gelte wie so oft auch heute dein Wille!« sagte er, »ich ziehe zur Entscheidung auf die Hochebene.«

Er beugte sich nieder, um die Königin zum Abschied zu küssen. Doch da, im Augenblick, als sein Antlitz sich dem ihren näherte, war es ihr, als schöbe sich plötzlich etwas ungreifbar Durchsichtiges und doch unerbittlich Trennendes zwischen sie beide. Zu des Königs Augen aufschauend, fuhr sie zurück, denn wie eine Fata Morgana von flimmernder Luft an den azurnen Himmel gemalt wird, so schienen sich durch seltsamen Zauber des Königs Gedanken aus dem Spiegel seiner blauen Augen zu sichtbarem Bilde verdichtet zu haben; ganz deutlich glaubte die Königin zu erkennen, was eine innere Vision ihm eben jetzt vorzauberte: aus seinen Augen gewahrte sie das Abbild der schönsten Frau der Insel,

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Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/097&oldid=- (Version vom 31.7.2018)