Seite:De Weberin Schuld Heyking Elisabeth von.djvu/098

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mit den wartenden Lippen und wonniglich weichen Armen!

Da überkam die Königin große Bitternis; doch es war weniger noch die gekränkte Eifersucht darob, daß der König sie küssen wollte, während er einer anderen gedachte, als daß sie glaubte, er hätte sich entschlossen, nunmehr doch zum Kampf im Lande zu verharren, nicht wegen des Gewichts ihres eigenen Rates, sondern wegen der Nähe der anderen. Daß Donna Miranda über einen Teil des Lebens des Königs herrschte, wußte die Königin, und sie ertrug das, ohne sich selbst einzugestehen, wie sehr sie darunter litt; aber daß diese Frau nun gar auf dem Gebiete, das sie als ihr ureigenstes ansah, die Entscheidung in des Königs Sinn geben sollte, das dünkte die Königin unerträglich. Die äußere Gestalt seines Geschicks war ihr ja, was dem Künstler sein Werk ist. Was sie sonst vor allen verbarg und selbst zu vergessen trachtete, jetzt erinnerte sie sich daran, erinnerte sich, daß sie ihn gemacht hatte! Vom träumenden Schwärmer an heimatlichem, nordischem Gestade war er nur durch sie zum Herrscher dieses Fremdlandes geworden! Sie hatte für ihn gestrebt, ehrgeizig geplant, Freunde erworben und seine eigene Phantasie für die glänzende Aufgabe geweckt. - Früh schon hatte sie ja in ihm den Schwachen erkannt, seine rasche Begeisterung, sein

Empfohlene Zitierweise:
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/098&oldid=- (Version vom 31.7.2018)