Man kannte sie auf vielen Schiffen. Überall war sie gewesen, hatte die längsten Bahnlinien befahren, die höchsten Berge bestiegen, die fernsten Länder und Meere durchkreuzt. Nirgends verweilte sie lange, obschon sie die Müdigkeit vieler Wanderjahre gleich einer schweren Gewandung nach sich schleifte. Sie gehörte zu denen, die geheime Macht immer von neuem aufscheucht und hinaustreibt in die Welt, zu den Rast- und Ruhelosen, die da ewig etwas zu suchen und nirgends ihr Ziel zu finden scheinen.
So kam sie auch einst im Frühherbst nach Peking. Und bald ritt sie dann aus der grauen, unter schwülem Dunst erstickenden Stadt hinaus zu den nahen Bergen. Dort liegen buddhistische Tempel und Klöster, wo viele europäische Bewohner Pekings die heiße Jahreszeit verbringen. Von einer Freundin geladen, die auch in einem der Tempel lebte, wollte sie diese ein paar Tage besuchen.
Durch die brütend heiße Ebene, über der die Ausdünstungen der großen Sommerregen drückend lagen, führte der Weg zu einem Dorf, das festungsartig von
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/109&oldid=- (Version vom 31.7.2018)