Töne der Gitarre waren verhallt in der Ferne. Es ward still um die Reiterin her. Unter hohen alten Bäumen standen graue Steinstelen am Wegesrand; Reihen kleiner verwitterter Pagoden, von Unkraut überwuchert, bezeichneten die Gräber früherer Mönche. Heiliger Boden war es. Von den Bergen herab kam ein kleiner Quell der Wanderin bewillkommend entgegengerieselt, und wo er in die Erde gesickert, war sie grün geworden von zarten Farren und bunt von zahllosen wilden Blumen.
Nun erblickte die Reisende die unteren Umfriedungsmauern des weiten Tempelgebietes. Dahinter, zwischen dunkeln Baumkronen, funkelten goldgelb, saphirblau und malachitgrün die Kacheldächer der Türme und Hallen, der Tore und Klöster. Höher und höher ansteigend, erhoben sie sich längs des dichtbewaldeten Abhangs, leiteten den Blick hinauf zu des Berges Spitze. Dort thronte, einer Perlenkrone gleich, eine schneeweiße Pagode, schimmernd gegen den türkisfarbenen Himmel.
Eines Zauberers Gaukelspiel dünkte dies Bild die fremde Frau, nach der langen Reise, dem Lärm der Stadt, der Hitze der Ebene.
Wonniglich still war es.
Der Mafu war abgestiegen, hatte die Zügel seines Pferdes um den Hals einer der riesigen Steinschildkröten
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/111&oldid=- (Version vom 31.7.2018)