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eines verwitterten Turmes tönten leis im Winde die kleinen Pagodenglöckchen: »tingting, tingting.«

»Märchenluft weht hier«, sagte die Fremde, und von dem Dache her, wo sie zwischen den zerbröckelnden Kacheln unter allerhand Gerank ihre Nester erbaut hatten, antworteten ihr girrend die wilden Tauben: »rukuru, rukuru.«

An einer dunkeln Felsengrotte vorbei leitete sie nun die Gastgeberin. Aus der geheimnisvollen Tiefe tauchten die ungeheuerlichen Umrisse eines Götzenbildes auf: einen feisten, grinsenden Alten stellte es dar, der mit quellendem Bauch auf berstenden Säcken thronte. »Der Gott des Reichtums«, erklärte die Führende.

Herb lächelnd meinte die Vielgereiste: »Wer den gleich zu Anfang als erste Gottheit kürt, erspart sich wohl manchen Umweg.«

»Vielleicht«, antwortete drauf die Witwe, »ist er hier nur deshalb gleich als erster aufgestellt, weil erst durch ihn die nötige Muße für so manches Höhere zu erlangen ist; – seine schönste Gabe, dünkt mich, genügendes Freisein von materieller Sorge, um ganz im Erinnern leben zu dürfen.«

»Oder um vor ihm fliehen zu können«, sagte die andere.

Zwischen rauschenden Baumeswipfeln stiegen sie aufwärts

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Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/113&oldid=- (Version vom 31.7.2018)