zu den Tempelhallen. Die einen enthielten in tausendfacher Wiederholung ein und dieselbe kleine Buddhafigur; in anderen waren die Qualen der Hölle mit chinesischer Erfindungsgabe fratzenhaft dargestellt. Dazwischen lagen stille Klosterhöfe. Weißstämmige Baumriesen erhoben sich da gespenstisch, reckten ihre Äste weit aus, wie Glieder bleicher Knochengerippe; die mächtigen Wurzeln wanden sich durch die Pflasterung, hatten die Fliesen gehoben, traten dazwischen hervor wie geblähte Leiber von Pythonen. Und bemooste Steinstelen standen im Schatten der Bäume, neben uralten Opfergeräten, deren dunkle Bronze Patina mit fahlgrünen Flecken bezog. – Umgeben waren die Höfe von niederen, einstöckigen Häuserreihen, die sich unter ihren hohen grauen Dächern zu ducken schienen. Sie enthielten die Mönchsklausen.
»Und wo wohnst du?« fragte die Fremde.
»Immer in demselben obersten Klosterhof, den er bei unserer Heirat von dem Abte gemietet hatte«, antwortete die Freundin. »Trotz der Statue nämlich, die dem Gott des Reichtums hier errichtet worden, hat er das Kloster verarmen lassen, und so schicken sich die Mönche darein, auch weiter das Geld einer Fremden anzunehmen, und haben mir gestattet zu bleiben. – Hier kommen wir in mein Wohnzimmer,« sagte sie
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/114&oldid=- (Version vom 31.7.2018)