Doch dann plötzlich ward jene von neuer Ruhelosigkeit erfaßt. Es war, als wolle sie bleiben und würde doch von unversöhnlicher Macht weitergejagt. Die Bitten der Freundin nützten nicht, schienen sie nur zu schmerzen.
So war der letzte Tag, den die Reisende verweilen wollte, gekommen. Noch einmal hatten die beiden Frauen zusammen die heiligen Haine durchstreift. Nun waren sie zurückgekehrt, mit Herbstblumen und roten Ranken beladen. In der Halle ordnete die Tempelbewohnerin die großen Sträuße. Die Weitgewanderte lehnte müde in einem Sessel und schaute zu, wie die Freundin die schönsten der Blumen in einer hohen Vase vor den grimmigen Krieger mit der Fledermaus stellte.
»Unter all dem Spuk scheinst du diesen zu bevorzugen,« sagte die Reisende, »und er schaut doch so grausam drein und vergeudet so viel Kraft gegen eine arme Fledermaus.«
»Er tut mir immer so leid«, sagte die Freundin.
»So leid?« wiederholte staunend die Fremde, »ja, hat denn das seltsame Bildwerk einen verborgenen Sinn? Ich wollte dich längst schon danach fragen. Heut an meinem letzten Abend bei dir mußt du mir davon erzählen.«
Die Tempelbewohnerin antwortete: »Der Krieger ist
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/122&oldid=- (Version vom 31.7.2018)