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Andere Augen und alles würde anders erscheinen, denn nicht zwei Wesen sehen das gleiche Bild. Verschiedene Welten schafft sich ja ein jedes einzelne Leben in seinem kurzen Laufe, wechselnde Glauben hegte es hoffend, nur um ihnen enteilend zu sagen: „Ihr wart nicht die wahren, denn ich selbst erdachte euch ja.“ Sollten sie mehr gelten, weil einst viele sich zu ihnen bekannten?

Weiter, weiter! Denn nichts ist. Nur selbst ersonnene Bilder umgeben uns, und nichts, was vergänglichem Gehirne entstammt, darf dauernden Einfluß heischen. Unrecht heißt heute, was morgen zu erkämpftem Rechte wird. Und ist eines so trügerisch wie das andere. Denn was wäre nicht Irrtum? Recht und Unrecht, Lohn und Strafe? Vergängliche Formen, in die wir zerschmelzenden Schaum zu bannen trachten; Worte, die etwas länger bestehen als die undeutlichen Begriffe, denen sie Namen waren; Worte, die kommende Sprachen vielleicht nicht enthalten werden, und deren vergessenen Sinn künftige Grübler dann mühsam enträtseln werden. Wandelbar ist alles, weil wir selbst dem Wandel entstammen, und die Träne, die wir heute weinen, vielleicht einst aus regenschwerer Wolke auf dürstende Erde herniedersank.

Ja, bei solch traumähnlichen Fahrten auf südlichen Meeren, da gibt es sonderbare Stunden, wo die Dinge,

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Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/148&oldid=- (Version vom 31.7.2018)