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an ihr vorüber gegangen! der Umgang mit Eustach seine Gespräche und Erzählungen, die unermüdlichen Lectüren der verschiedensten Art, welche sie sowol mit ihm als für sich allein machte, die unzerstreuende, zum Nachdenken auffodernde Lebensart, die ernste Natur der Landschaft, der spärliche Umgang mit Menschen und besonders mit Altersgenossen: Alles das weckte in ihr das Element der Betrachtung, zu welcher sie mehr Neigung als zu praktischer Thätigkeit und zu phantastischer Träumerei hatte. Aurora, durch ihre Phantasie verlockt, fühlte sich im Grunde weit erhaben über die derbe Prosa ihrer Wirklichkeit. Cornelie fühlte sich den Ansprüchen der Wirklichkeit noch nicht gewachsen. In den Briefen der Schwestern sprach sich ihre Verschiedenheit am klarsten aus. Immer klagte Aurora, wenngleich in den sanftesten Ausdrücken, über den Schmerz nicht verstanden zu werden; immer drückte Cornelie den Wunsch aus, mehr, tiefer, umfassender zu verstehen. Jene war die entwickelte Mittelmäßigkeit; diese - eine noch unentwickelte Tüchtigkeit.

„Gott! schrieb Aurora, wenn ich es doch möglich machen könnte Dich einmal zu besuchen, meine Cornelie. Ich meine es müsse eine Wonne sein einmal etwas Anders zu sehen - einen andern Kirchthurm, ein andres Kleid, ein andres Gesicht!

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Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Erster Band. Berlin 1845, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn).djvu/045&oldid=- (Version vom 31.7.2018)